Am Ende des dritten Jahres lud Zeus erneut die drei Regierungen ein, je eine Diplomatin zu entsenden. Sie sollten wie immer ihre Fragen in Papierform mitnehmen und keine Wanzen tragen, er garantierte für ihre Sicherheit. Anne war sofort bereit, Carin van der Velde war befördert worden und man entsandte an ihrer statt Regine Durieux, eine französische Diplomatin.
Wen Shi war aus dem diplomatischen Dienst ausgeschieden und lehrte an einer kleinen Universität in Guangzhou. Sie hatte es Zeus bei ihrem letzten Telefonat mitgeteilt, sie war als Waffe stumpf geworden und ihre Karriere wurde mehr oder weniger offen behindert. Nein, er könne ihr nicht helfen, sie wollte diesen fruchtlosen Kampf nicht mehr. Sie wollte ein gewöhnliches Leben führen und eine Familie gründen. Zeus brachte ihr trauriges Gesicht zum Lachen, als er anbot, Vater ihres ersten Kindes zu werden. Wen Shi schöpfte neue Kraft und Energie aus dem Gespräch und war beim Gedanken, daß der Gott sie wirklich ins Herz geschlossen hatte, sehr glücklich. Als Ray Lin erzählte, daß er Wen Shi angeboten habe, Vater ihres Kindes zu werden, forschte Lin in seinem Geist, ob er es auch ernst meinte. Sie fädelte es geschickt ein, daß Wen Shi allabendlich bei Zeus lag und nach einigen Wochen von Ray und Zeus schwanger wurde. Lin ließ Wen Shi die Erinnerungen als vage Vision, daß sie sich dem Gott voller Lust, Wonne und Inbrunst hingab. Sie sollte wissen, das Kind von Zeus empfangen zu haben. Ray war außer sich vor Freude, als Lin es ihm sagte.
Wen Shis Nachfolge beanspruchte Mun Li Lee, die sich auf der Karriereleiter vor allem mit ihren weiblichen Reizen und hinterhältigen Intrigen hochgearbeitet hatte. Die 45jährige Diplomatin mit dem verkniffenen Mund war — im Vergleich zu Wen Shi — unfähig, ungebildet und abgesehen von der instinkthaften Bauernschläue schlichtweg dumm.
Die drei Diplomatinnen wurden zum Raumschiff teleportiert und warteten lange im beleuchteten Kreis. Lin gönnte es Ray, sich die Leiber der Diplomatinnen ganz genau anzusehen. Mun Li drängelte sich vor, als die Diplomatinnen den Leuchtdioden folgten. China first! Theaternebel, Fanfaren und Blumenstreuen. Der Empfang konnte beginnen.
Zeus begrüßte sie namentlich, das schien ihm richtig zu sein. "Seid herzlich und in Frieden willkommen!" begann er. "Eure Regierungen haben meine zwei Aufgaben recht gut gelöst, sagt ihnen meinen Dank dafür! Den Hunger und die Wasserknappheit haben die meisten Staaten gut gemeistert und habt dafür meinen Dank! Die Kriege sind größtenteils beendet, es gibt nur noch lokale Zwistigkeiten. Sagte ich Zwistigkeiten?" Zeus blickte von einer zur anderen. "Immer noch werden Dörfer von Banden überfallen, die Bewohner zu Brei geschlagen und die Frauen und Mädchen mißbraucht, geschändet und vergewaltigt. Richtet diesen Banden aus, daß meine Geduld ausgereizt ist. Ich komme mit biblischen Plagen über sie!" donnerte Zeus, seine Mimik war geradezu furchterregend.
"Es gibt aber noch sehr Vieles, was auf eurem Planeten noch nicht gut gelöst ist. Ich nenne euch nur ein paar Beispiele. Die Maßnahmen gegen die Klimaverschlechterung. Die Verschmutzung der Ozeane. Der Menschenhandel, die Sklaverei, die Ausbeutung von Arbeitern. Die Zwangsprostitution. Die ineffektive Energiegewinnung. Eure seltsame Finanzwirtschaft. Und tausend andere Dinge mehr — ihr könnt diese Liste nach Belieben ergänzen. Für all diese Dinge habt ihr Organisationen, die bisher leider nicht viel erreicht haben. Diese Organisationen brauchen mehr Unterstützung, mehr Geld und mehr Manpower. Dies führt mich zu meiner nächsten Aufgabe."
Zeus blickte von einer zur anderen und kraulte die Locken seines Bartes, wie immer. "Die Reichen dieser Welt verstecken ihr Geld in Steuerparadiesen oder wählen komplizierte Konstruktionen, um ihr Vermögen nicht teilen zu müssen. Eure Straßen, Brücken oder Schienennetze beispielsweise wären in besserem Zustand, würden sie ihren Beitrag leisten. Hier also meine Botschaft: heute in drei Tagen werde ich alles an verstecktem Vermögen den Personen namentlich zuordnen und das Geld auf eines ihrer persönlichen Konten überweisen. Die jeweilige Regierung erhält eine Liste der Personen und ihres tatsächlichen Vermögens. Drei Monate Zeit gebe ich euren Regierungen, diese Personen gerecht zu besteuern. Dort, wo dies nicht geschieht, werde ich 30% des Vermögens an zufällig ausgewählte Organisationen spenden. Und das Jahr für Jahr!" Zeus blickte die Diplomatinnen an.
Mit einer Handbewegung hob er die Bänkchen mit den Diplomatinnen, bis sie auf Augenhöhe waren. Die Damen zappelten unkontrolliert mit den Beinen und hielten sich an den Bänken fest. Er sprach: "Habt Dank für euren Besuch, die Aufzeichnung des Gesprächs findet ihr auf einem USB‐Stick in euren Kleidern. Geht in Frieden!" Die Bänkchen senkten sich zu Boden. Die Diplomatinnen verbeugten sich, murmelten "Friede auch mit dir!" und wandten sich um, um zu gehen.
Nur Mun Li Lee blieb stehen und überlegte, wie die korrekte Anrede lautet, Großer Herr oder ehrwürdiger Meister? Sie preßte ihre Weiblichkeit provokant durch den Stoff der Tunika. "Ehrwürdiger Herr Zeus, kann ich Euch einmal privat treffen? Ganz privat, nur wir beide?" Sie preßte Brust und Scham unmißverständlich keck und neckisch nach vorn und klimperte mit den künstlichen Wimpern. Er zögerte keinen Augenblick. "Ich pflege keinen privaten Umgang mit Menschenfrauen, das sind nur Legenden. Und die Früchte, die du feilbietest, sind nicht so süß wie du es dir einbildest! Gehe in Frieden, Mun Li, geh!" donnerte Zeus und blickte die Chinesin unfreundlich an. Sie drehte sich arrogant und schnippisch um und ging. Die Diplomatinnen wurden in einem Wimpernschlag zurückgebracht und standen blinzelnd vor ihren Regierungssitzen. Das Prozedere war wie immer, die Audio und die Videodatei wurden den wichtigsten Leuten vorgespielt und anderntags veröffentlicht. Nur die chinesische Führung ließ den letzten Teil wegschneiden, bevor sie es veröffentlichten. Natürlich sickerte es durch die Zensur. Das chinesische Volk lachte über die unverschämte Diplomatin und es gab einen höhnischen shit storm, der sich über die eingebildete Dirne ergoß. Mun Li verließ den diplomatischen Dienst sofort und verkroch sich irgendwo.
Lin lächelte liebevoll, als Ray sie fragend ansah. "Aber natürlich," schmunzelte sie und schaute mit ihm gemeinsam die Aufnahmen an, die heimlich von den Leibern der Diplomatinnen gemacht wurden. Die Großaufnahmen scharf wie immer, jedes Härchen und jede Pore klar zu sehen. Anne war hübscher als je zuvor, Regine Durieux' Leib kommentierte er mit einem flegelhaften, frechen Pfiff, daß Lin glockenhell auflachte. Die Aufzeichnung, die den Leib der Chinesin zeigte, schaute er zweimal hintereinander an und meinte: "Mun Li ist zwar eine ziemlich arrogante und eingebildete Person, aber diesmal bin ich nicht einer Meinung mit Vater Zeus, die Frau kann wahrscheinlich einiges bieten!" Lin stimmte ihm zu, hier irrte Zeus.
Sie schwammen im Meer und aßen das beste Irish Stew seit Jahren. Als sie zu Bett gingen, teleportierte Lin die Chinesin Mun Li in sein Bett. Lin konnte die Augen nicht von den beiden losreißen, die chinesische Edelhure war wirklich eine Granate im Bett und sie schliefen erst im Morgengrauen ein, nachdem Lin die Chinesin zurückteleportiert hatte. Ray hatte sich total erschöpft und schlief bis Mittag, nach einer deftigen Jause döste er am Sandstrand bis zum Abendessen. Er trank ausnahmsweise drei Whiskys und rauchte, bis er zu Bett ging. Lin teleportierte die Französin Durieux ins Bett, direkt aus dem Bett des Liebhabers, den sie in Tiefschlaf versetzen mußte. Die Französin war sehr leidenschaftlich und erfahren, in seinen Pausen glitt sie überraschenderweise zu Lin und machte sie glücklich.
Vor dem Frühstück umarmte ihn Anne Kilpatrick, deren Unerfahrenheit ihn immer wieder aufs Neue begeisterte. Er frühstückte ausgiebig mit Lin und sie beschlossen, einen Tag frei zu nehmen. Sie hörten Musik und Ray las weiter in einem dicken Buch von T. Piketty. Es war sehr klug und gut verständlich geschrieben, Ray verstand bald ein wenig mehr von Wirtschaft. Sie badeten vor dem Abendessen im Meer und ließen sich von den letzten Sonnenstrahlen trocknen. Er beantwortete Lins Frage, Mun Li sei für einmal ganz toll gewesen, aber er mußte sie nicht mehr haben, sie war ihm zu arrogant und narzisstisch, das war sehr abstoßend. Er mußte sie wirklich nicht noch einmal haben. Lin lächelte bei seiner Frage und antwortete, Nein, es seien schon einige Frauen bei ihr gelegen und die süße Französin verstünde ihr Handwerk. Jack nickte mit verträumten Blick, "Ja, obwohl ich es eher als Kunst in höchster Perfektion bezeichnen würde!"
Am nächsten Tag nahmen sie die Arbeit wieder auf. Die Jareel spulten Listen mit Namen und Beträgen über die Anzeigen, die jedoch weder ihm noch Lin etwas sagten. Er telefonierte lange mit Anne, sie konnte bisher nur bestätigen, daß die Listen an die Finanzbehörden der betreffenden Staaten geschickt wurden. Schlimm war jedoch die Reaktion vieler Reicher. Sie rannten die Tür zum Weißen Haus ein, sie verlangten Privilegien, Nachlässe und Ausnahmen. Ebenso forderten sie diese bei Politikern, Abgeordneten und Gouverneuren ein und waren sehr hartnäckig. Es würde ihnen nichts nützen, lachte Anne in einem Fernsehinterview, Zeus würde ihr Geld nehmen! Niemand bezweifelte, daß er es konnte.
Sie nahmen ihre Arbeit wieder auf, es gab noch viele entlegene Gegenden, wo es noch Hunger gab. Anne telefonierte mit Zeus und zeichnete das Gespräch auf. Ihre Regierung wollte wissen, ob er einen Hinweis auf die Energiegewinnung geben könnte. Er schien ja über unerschöpfliche Energiereserven zu verfügen, man hatte sein Raumschiff lange genug beobachtet. Zeus lachte freundlich. "Meine liebe Anne, meine Form der Energiegewinnung würden auch eure besten Wissenschaftler in hundert Jahren noch nicht verstehen. Die Grundlagen dazu kennt ihr noch nicht und jede Hilfe meinerseits wäre zu unsinnig. Ich kann dir nur sagen, daß ihr mit der Kalten Fusion auf einem guten Weg wärt, wenn ihr ein bißchen mehr in diese Technologie investieren würdet. Sie wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung, das kann ich bestätigen. Eure Wissenschaftler haben schon genügend herausgefunden, doch sie erhalten viel zu wenig Unterstützung. Die Ölbarone und andere Gewinnler veralteter, aber sehr schmutziger Technologien sind noch viel zu mächtig und verhindern jeden Fortschritt, da sie richtig viel Geld zu verlieren haben. Das ist das eigentliche Problem."
Anne war nicht sicher, ob Präsident Andrews in seinen letzten Wochen dieses Thema anpacken konnte. Im Wahlkampf hatte er nicht mehr so viel Macht und wer ihm nachfolgte, war völlig ungewiss. Aber sie kannte den Präsidenten und würde ihm das Gespräch vorspielen. Immerhin war er der Präsident und würde entscheiden. Zeus sagte, wie sehr er sie schätzte und hoffte, sie würde weiterhin mit ihm arbeiten. Anne wurde traurig, das hing nicht von ihr ab, sie könnte von der neuen Administration jederzeit ersetzt werden. Zeus versprach, ihre Mitwirkung von den Neuen zu fordern. Anne hatte ein warmes Gefühl im Herzen, als sie das Gespräch beendeten.
Zeus sprach mit Regine Durieux. Auch ihre 30 Regierungen hatten die Listen den Finanzbehörden weitergegeben, auch die Reichen Europas wanden sich, um ihr Vermögen nicht teilen zu müssen. Zeus lobte sie, denn Ray war Regine immer noch sehr dankbar. Gut, daß die Regierungen seine Botschaft verstanden hatten und wußten, daß er keine leeren Drohungen aussprach. Er verabschiedete sich so freundlich, daß Regine erstaunt zurückblieb. Zeus mochte vielleicht ein Gott sein, ein aalglatter Diplomat war er sicher nicht. Sie war an das Diplomatengeschwätz gewöhnt und war über seine ehrliche Freundlichkeit erstaunt. Sie mußte umdenken und anders über Zeus denken und handeln. Dennoch hatte sie ein ungewöhnliches Glücksgefühl nach dem Gespräch.
In China rückte eine Diplomatin nach, Podukhai Tsetsen Khatan, war mit dem Großen Vorsitzenden gut bekannt und sehr ehrgeizig. Sie besuchte Wen Shi und diese gab ihr stundenlang Informationen und Hinweise. Wen Shi, die während der Schwangerschaft beinahe täglich in den Armen des Gottes lag und sich mit ihm auf das Kind freute, sprach danach mit Zeus und meinte, sie kenne Podukhai seit Jahren, sie sei ganz anders als ihre Vorgängerin und eine gute Wahl. Strebsam, fleißig und überzeugt davon, ein starkes China wäre gut für seine Bewohner. Sie entstammte einem alten mongolischen Fürstengeschlecht und wußte, was Ehre, Ehrlichkeit und Anstand bedeuteten.
Ray und Lin arbeiteten tagsüber für die Hungernden, am späten Nachmittag gingen sie ins Meer und badeten oder wanderten durch den Wald. Sie videophonierten mit den Eltern in Marbella, die sich dort sauwohl fühlten und von den Wundern der neuen Stadt berichteten. Rays Vater tat das warme Klima gut, er hatte zum ersten Mal im Herbst keine Beschwerden mit der Gicht. Sie ließen ihre Badetücher fallen, als er die Mutter zum Videophonieren allein ließ.
Überraschend viele Reiche in Europa, aber auch in den USA und vielen anderen Ländern zahlten ihre Steuern anständigerweise oder kündigten es ernsthaft an. Ray und Lin waren ehrlich überrascht, sie hatten es nicht erwartet. Jeden Tag flimmerten die Namenslisten über ihre Anzeige, viele waren grün unterlegt. Aber es waren sehr viele mehr, die nicht grün werden wollten. Die Uhr tickte, die Tage flogen nur so dahin.
Ray und Lin teleportierten gerade Lebensmittel in ein entlegenes Dorf legten ihre Gaben vor den Alten und Kranken nieder, als sie zufällig beobachteten, wie ein Dorf von einer Bande Räuber und Mörder überfallen wurde. Es war entsetzlich, die Vergewaltigungen mit anzusehen und Lin wandte sich ab. Ray fand es überhaupt nicht geil und kochte vor Zorn. "Ich muß etwas tun!" schrie er zornig und hieb mit der Faust auf den Tisch. Er blickte verzweifelt zu Lin. "Ich habe ihnen biblische Plagen angedroht, aber sie machen einfach weiter," klagte er. Er starrte auf Lin. "Ich muß etwas tun, sofort!" Er war aufgesprungen, blickte ab und zu auf den Bildschirm und stampfte auf und ab. "Ich würde ihnen am Liebsten die Schwänze abreißen!" murmelte er und Lin blickte auf. "Dann tu es doch," sagte sie, "wäre das richtig?" Ray blickte sie entgeistert an. "Könnte ich das?"
Lin kräuselte verärgert die Lippen. "Wir sind jetzt seit vier Jahren zusammen, ich tue alles, welches Projekt du dir auch wünschst, ich lege dir die schönsten Frauen ins Bett und du fragst dich immer noch, ob wir Jareel es können!?" Lin sah erschrocken zu Boden, sie war zu weit gegangen, eine devote Asiatin sprach nicht so mit ihrem Mann! Ray war zu ihr getreten, hob ihr Kinn und schaute in ihre Augen. "Ich will sie ihrer Manneskraft berauben, impotent sollen sie sein für immer!" Lin lächelte, "Schon geschehen, mein Lieber!" Er huschte zum Bildschirm. Die Vergewaltigungen stockten. Die mißbrauchten Frauen stießen die verwirrten Männer von sich und rannten nackt in den Wald. Die Männer standen in Grüppchen beieinander und tuschelten betreten.
Ray ließ eine Aufzeichnung an die drei Diplomatinnen übermitteln. Kein Kommentar, nur die geographische Lage des Dorfes. Es dauerte Tage, bis man die Männer ausgeforscht hatte. Sie waren zweifellos ihrer Manneskraft beraubt worden, die Bande war sofort zerfallen. Ray überließ es den Menschen, zu verstehen, was Zeus unter biblischen Plagen verstand. Die Geschichte verbreitete sich auf dem afrikanischen Kontinent wie ein Lauffeuer und manche Räuber und Mordsbanden überlegten es sich zweimal, Frauen zu vergewaltigen. Lin lächelte ihr konfuzianisches Lächeln: "Nicht das Gewehr, sondern die Munition unbrauchbar machen." Ray brauchte eine Sekunde, dann lachte er aus vollem Hals. Ja, das war sie, seine Lin!
Sie arbeiteten weiter und Zeus beantwortete die Mails der Diplomatinnen schmunzelnd. Er bestätigte, daß er voller Zorn diese biblische Plage über die Gangster gebracht hatte, "so wie der Gott des Moses die Erstgeborenen entmannt hatte!" Ray und Lin prusteten vor Lachen, als das Mail abfaßten, denn Zeus wirkte sicher sympathischer, wenn er das Alte Testament nicht so genau gelesen hatte. Anne und Regine kicherten, weil sie den alten Schlaumeier durchschauten, Podukhai bemerkte den Lapsus nicht gleich.
Der Tag kam, die drei Monate waren um, die Welt hielt den Atem an. Pünktlich auf die Minute spendeten die starrköpfigen Reichen 30% ihres Vermögens an die anerkannten Organisationen, ob sie nun wollten oder nicht. Kein Gericht war bereit, die Spenden anfechten zu lassen, nicht dieses Mal. Zeus übermittelte die Liste der Spenden an die Diplomatinnen und diese verteilten sie an die 200 Staaten. Niemand kam zu Schaden, keiner kam an den Bettelstab. Die Reichen ließen ihre Wut an den Politikern, Abgeordneten und den ihnen Verpflichteten aus. Diejenigen aber, die ihre Steuern bezahlt hatten, atmeten auf. Die meisten Steuern waren unter 30%, sie hatten klug gehandelt. Das machten sie öffentlich, die Medien und Kommentatoren nahmen sich des Themas an. Es war noch ein Jahr Zeit bis zur nächsten Abschöpfung, Zeit genug, die Sache noch einmal durchzurechnen.
Ray konnte mit den Namen der Organisationen nichts anfangen, er wußte, daß die Jareel die Empfänger genau ausgesucht und die betrügerischen aussortiert hatten. Die Gesamtsumme lag über 1.870 Milliarden Dollar und Ray war sich sicher, daß die Organisationen damit einen ordentlichen Schub bekamen. Ein bißchen blieb an den klebrigen Fingern hängen, bevor man das Geld einsetzte. Ray wußte davon, aber es war nicht sehr wichtig und es interessierte ihn nicht. Die klebrigen Finger horteten ja das Geld nicht, sie kauften wichtige Dinge wie die neue Anglerausrüstung, Champagner für die Geliebte oder ein neues Auto. Er hatte Piketty verstanden, das geklaute Geld kurbelte die Wirtschaft an und das war nichts Schlechtes.
Ray diskutierte mit Lin ihre Arbeit. Sie kamen sehr schnell überein, daß sie sich zu schnell auslaugten, wenn sie in diesem Tempo weitermachen. Er mußte zugeben, daß er schon nach wenigen Stunden langsamer und unkonzentriert arbeitete, er mußte viele Rauchpausen einlegen und einige Schritte tun, bevor er weitermachte. Lin wußte das, sie brachte ihm Getränke und Snacks und ermutigte ihn, sich nach der Jause noch einige Minuten zu erholen. Sie selbst hatte offenbar eine stärkere Konstitution und wurde nicht so schnell müde wie er. Es hatte keinen Sinn, bis zum Umfallen zu arbeiten und nicht mehr viel zustande zu bringen. Es wäre sinnvoll, die Arbeit besser zu organisieren. 6 Stunden pro Tag mit einer Stunde Mittagspause, einen Tag pro Woche frei. Sie lachten beide, das klang nach dem, was die Gewerkschaften auf der Erde forderten. Lin schlug scherzhaft vor, eine Gewerkschaft zu gründen, ein Präsident und eine Schriftführerin. Er lachte und wollte lieber eine Präsidentin und einen Chauffeur in Livree. Sie lachten, das erste Mal seit Monaten. Sie verließen die Bildschirme und setzten sich in ihre Fauteuils, Lin servierte Whisky und Gin und belegte Brötchen aus der Schweiz. Sie wurden ernst, dann beschlossen sie die neue Zeiteinteilung.
Sie videophonierten mit seinen Eltern in Marbella. Der Vater hatte eine Lupe mitgebracht, um Lin genauer in Augenschein zu nehmen. "Ein hübsches Ding, das du da hast, mein Sohn!" war sein Urteil. Er blieb länger, weil sie etwas Interessantes diskutierten. Er las täglich einige Zeitungen aus Deutschland und Österreich, die er abonniert hatte. Sie sprachen — wie alle Welt — über die Zwangsbesteuerung der Reichen. Seine Eltern hatten im ersten Moment die Aktion abgelehnt, weil es eine ungesetzliche Enteignung sei. Doch man diskutierte es im Freundeskreis, auch weil es keinen direkt Betroffenen gab. Man sprach immer öfter über Steuergerechtigkeit und die Frechheit, keine Steuern zahlen zu wollen. Seine Eltern zahlten brav ihre Steuern und empfanden es als Ungerechtigkeit, daß die Vermögenden nicht teilen wollten. Daß anerkannte Organisationen die 1.870 Milliarden Dollar bekamen, fanden die meisten richtig, auch seine Eltern. Sie hatten einiges über die Organisationen gelesen und waren mit deren Zielen einverstanden.
Die geänderten Arbeitszeiten erwiesen sich als richtig, sie konnten sich viel besser konzentrieren. Zeus lud die Diplomatinnen zu einem Besuch ein. Lin ließ die Damen zum "scannen" lange stehen, Ray wollte sich die Mongolin neugierig anschauen. Dann das Übliche, Theaternebel, Fanfaren und Blumenstreuen. Zeus wartete geduldig, bis Anne Kilpatrick, Regine Durieux und Podukhai Platz genommen hatten. Er begrüßte sie namentlich mit einem herzlichen Willkommen.
"Eure Regierungen haben sich bei der letzten Aufgabe der Besteuerung der Vermögenden sehr kompetent gezeigt, richtet meine Anerkennung und meinen Dank aus. Ich hoffe, daß sie die Einnahmen zum Wohl der Bevölkerung verwenden." Zeus kraulte seine Bartlocken und sah freundlich von einer zur anderen. "Ich habe euch hergebeten, weil ich eine weitere Botschaft an die Menschen habe. Ich möchte euch drei bitten, meine Botschaft zu verbreiten und aktiv zu unterstützen." Die Diplomatinnen waren voll konzentriert und lauschten.
"Vor kurzem habe ich eine Bande von Mördern und Vergewaltigern bestraft und sie entmannt. Es hat einen Augenblick lang gewirkt, doch nach zwei Tagen zogen die Banden wieder los, brandschatzten und vergewaltigten frech weiter." Zeus hielt mit dem Bartkraulen inne und fixierte die Damen. "Nicht daß ihr denkt, der alte Mann ist sehr dünnhäutig, was regt er sich über ein paar Frechdachse auf? Nein, ich habe ihnen biblische Plagen angedroht und dazu stehe ich. Eine Drohung von mir hat Konsequenzen. Ich habe Mitleid mit jeder einzelnen Frau, keine Frage. Diese Banden sind wie die Pest für eure Gemeinschaft. Ganze Landstriche bleiben verwüstet zurück und es dauert Jahrzehnte, bis sie sich erholen. Eure Regierungen sind überzeugt, daß sie daran nichts ändern können. Das ist nicht so, sie könnten viel mehr tun. Da kommt ihr ins Spiel. Ich gebe euch erstens den Auftrag, die Regierungen zu energischem Vorgehen aufzufordern."
"Mein zweiter Auftrag ist um einiges komplizierter. Hört, meine lieben Damen! Ich werde ab sofort gegen diese Massenvergewaltigungen vorgehen und die Vergewaltiger bestrafen und entmannen!" Blitze schossen aus Zeus' goldenem Stab, als er ihn beim Wort "entmannen" so fest in den Boden rammte, daß der ganze Thronsaal erzitterte. "Ich weiß, als Diplomatinnen habt ihr keinen direkten Zugang zu diesen Gangstern. Es wird also kein leichtes sein, meine Ankündigung in die entlegensten Winkel bis zu diesen Banden zu verbreiten. Aber ihr müsst es, findet Wege und Mittel!"
Die scheue Podukhai Tsetsen meldete sich zu Wort. "Edler Herr, ich habe in meinem Land nichts von solchen Ereignissen gehört. Ich möchte alles gerne tun, wie Ihr es fordert, denn auch ich verspüre Zorn und Bestürzung, wenn ich Euch zuhöre." Podukhai sah ihn erwartungsvoll an. Zeus bedankte sich für ihre respektvolle Anrede, lächelte sie freundlich an und sagte: "Deshalb ist es gut, wenn ihr auf dem USB‐Stick eine Liste vorfindet, auf der die Vorfälle des letzten halben Jahres aufgelistet sind. Ohne Berücksichtigung, ob es eure Regierungen wissen wollen. 150 von 200 Staaten sind auf dieser Liste, gebt sie weiter!" Podukhai fragte, "Auch China?" und Zeus nickte, "Auch China!" und lächelte der bestürzten Mongolin aufmunternd zu.
Zeus ließ die Sitzbänke in die Höhe schweben, damit die Diplomatinnen mit ihm auf Augenhöhe waren. Nur Podukhai zappelte mit den Beinen, da sie überrascht war. "Habt Dank, liebe Damen, für euren Besuch! Ihr habt eine schwierige Aufgabe bekommen, da bin ich mir klar darüber. Nun geht, geht in Frieden!" Die Bänkchen senkten sich zu Boden. Die Diplomatinnen verbeugten sich und murmelten ihren Gruß, dann gingen sie den Leuchtdioden folgend in die Umkleidekabinen. Sie blinzelten, als sie einen Wimpernschlag später vor ihren Regierungssitzen standen.
Lin erwartete Ray grinsend vor dem großen Bildschirm. Die Aufnahmen von Anne und Regine boten nichts Überraschendes, doch die Aufzeichnung von Podukhai erregte ihn sehr. Sie wäre die aufregendste Asiatin, die er jemals gesehen hatte, meinte er und fügte hinzu, natürlich abgesehen von dir, meine Liebste! Sie badeten im Meer und ließen sich von der künstlichen Sonne trocknen. Ray las in dem Schinken von Piketty weiter, bis die Sonne unterging. Zum Abendessen gab es eine Riesenportion Wiener Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster vom Figlwirt, danach Vanilleeis mit Schlagsahne aus Rom. Sie tranken Whisky und Gin, als sie in ihren Fauteuils saßen, plauderten und warteten, bis Podukhai zu Bett ging, Lin brauchte nicht nachzudenken. Sie versetzte den Liebhaber in Tiefschlaf, als sie die 28jährige Mongolin in ihr Bett teleportierte. Ray küßte Lin innig und liebevoll vor Dankbarkeit, bevor er sehr spät einschlief.
Nach dem Frühstück brachten sie Lebensmittel in die entlegenen Gebiete, am Nachmittag verfolgte Ray einige Banden in Afrika und entmannte bis zum Abend ein paar hundert Vergewaltiger. Oft hatten die Vergewaltigungen schon stattgefunden, oft waren die Männer gerade dabei, Mädchen und Frauen zu schänden. Ray spürte nur kalten Zorn und scherte sich nicht darum, ob die Männer fertig waren oder nicht. Er schlug unbarmherzig zu und verschonte nur die Unschuldigen.
Er zeigte am Abend Lin einige Aufnahmen, aber sie schaltete bald ab, Vergewaltigungen wollte sie eigentlich gar nicht sehen. Er belohnte sich nach dem Abendessen mit einigen Whiskys und plauderte mit Lin über die schöne Nacht mit Podukhai. Lin lächelte still, denn sie war ja dabei gewesen, aber er mußte mit jemandem seine Begeisterung teilen. Sie gingen lachend ins Bett.
Präsident Andrews eröffnete in Virginia das erste kommerzielle Kraftwerk mit Fusionstechnik und legte feierlich den Grundstein vor den Fernsehkameras aus aller Welt. Er verabschiedete sich formell auch von Zeus in einer Email. Eine Woche später übergab er an den nächsten Präsidenten, Kyle White. Der neue Präsident ließ sich schon am ersten Tag von Anne Kilpatrick mit Zeus verbinden. Ein Dutzend Berater verfolgten das Gespräch im Oval Office. Präsident White nahm die Glückwünsche zur Wahl entgegen, es folgte leichter Smalltalk. Allmählich kam der Präsident auf den Punkt. Vor allem der Staat Delaware erlitt herbe Verluste durch Zeus' brutale Besteuerung. Delaware lebte von seinen Einnahmen als Steuerparadies. Zeus ergänzte, die Inseln des Britischen Empire litten ebenso. Die Briten hatten schon damit begonnen, Witschaftsprogramme einzuführen. Dann schwieg er. Es war Präsident Whites Aufgabe, Delaware zu retten. Das Gespräch lief freundlich weiter, am Ende wollte Zeus sicherstellen, daß Anne Kilpatrick in Amt und Würden blieb. Präsident White war ganz seiner Meinung und kündigte ad hoc an, sie würde demnächst zum Special Envoy ernannt werden, was für Anne nicht nur ein weit höheres Gehalt bedeutete, sondern auch eine abgesicherte Stelle.
Ray arbeitete hauptsächlich an seinem Bandenprojekt. Er beobachtete die Überfälle ganz penibel. Es irritierte ihn, daß viele Vergewaltigungen sich ganz anders entwickelten, als er es geglaubt hatte. Die Frauen wurden geschlagen und gezwungen, das war immer so. Doch viele ergaben sich, widersetzten sich nicht und einige suchten, Lust zu empfinden. Er mußte sich eingestehen, daß er die Seele der afrikanischen Frauen nicht verstand. Er wandte sich Mittelamerika und dem nördlichen Südamerika zu, die Banden dort waren unerbittlich und brutal. Er entmannte hunderte, tausende Bandenmitglieder ohne Erbarmen. Die Männer erlebten einen tiefen Einschnitt in ihrem Leben, die Banden bröckelten auseinander. Ray sah schon nach einigen Wochen, wie wirksam seine Maßnahmen waren, und darauf war er stolz. Lin spürte, wie sehr ihn das Bandenprojekt belastete und legte ihm täglich die schöne Podukhai oder Wen Shi ins Bett. Wen Shi war Mutter geworden, glücklich und leidenschaftlicher als je zuvor.
Ray ölte Lin am Sandstrand mit Sonnenöl ein und küßte liebevoll ihren Nacken. "Das waren die schönsten vier Jahre meines Lebens," flüsterte er.