Henri Moret trommelte mit den Fingern auf der Schreibtischplatte wie immer, wenn er wütend oder nervös war. Er hatte das Telephon abgehoben und ausdruckslos zugehört, was Devenaz am anderen Ende der Leitung zu berichten hatte. Schon nach den ersten Sätzen wußte er, daß Devenaz recht hatte und Weichsler, dieser Vollidiot, wieder tätig geworden war. Sie beide wußten, daß es nur Weichsler sein konnte. Moret dankte Devenaz mit einem Kopfnicken, obwohl das der andere nicht sehen konnte und legte auf.
Sein Blick glitt zu dem versilberten Bilderrahmen auf seinem Schreibtisch. Was seinen Vater vor Jahren wohl bewogen haben mag, mit Weichsler ein so unsicheres Stillhalteabkommen zu schließen? Nun, er jedenfalls hatte die Absicht, diesmal nicht klein beizugeben. Im Gegenteil. Weichsler verdiente eine harte Strafe — und je mehr Insider davon erfuhren, um so mehr konnte er das für sich als Erfolg verbuchen. Keiner sollte glauben, er ließe irgend jemanden billig davonkommen. Irritiert hörte er mit dem Fingertrommeln auf, als er es gewahr wurde und griff zum Hörer.
Anderntags saßen Wimmer und der mit dem Schlapphut in seinem Büro. Moret ging zum Wandschrank und blickte fragend, ob sie auch einen Drink wollten. Wimmer nickte, der mit dem Schlapphut blieb stumm. Henri Moret ärgerte sich, daß jener seinen Hut nie abnahm, nicht einmal im Chefbüro, aber was soll's. Moret schenkte zwei Gläser ein und nutzte die Zeit, um über Wimmer und seinen Schatten nachzudenken. Wimmer und Partner, die besten Jäger der Westschweiz und seit jeher schon für das Aufräumen im Moret‐Imperium zuständig. Sie arbeiteten schnell und diskret und waren das viele Geld, das sie verlangten, auch wirklich wert. Wimmer war lange genug in der Privatwirtschaft gewesen, um auch komplexe Zusammenhänge zu begreifen — nein, Schläger waren sie nicht. Sie waren beide lizenzierte Privatdetektive, das wußte Moret, obwohl Wimmer zu seiner Tarnung ein winziges Fotogeschäft in Lausanne betrieb, aber warum Wimmer nicht offiziell eine Detektei betrieb, war ihm unklar. Er nahm die Drinks und ging zum Tisch, wo er Wimmer ein Glas reichte, bevor er sich setzte.
Der mit dem Schlapphut deutete plötzlich mit dem Zeigefinger auf eines der Dokumente, die Wimmer gerade durchsah. Wimmer nickte und sah auf. "Es ist der zweite, der" er blickte kurz in die Papiere und suchte nach dem Namen, "der Rizzi, P. Rizzi, der von der Wiener Bank," Wimmer sah nochmals auf die Papiere, die vor ihm ausgebreitet lagen, "Kantor Privatbank."
"Weichsler hat einen schlauen Kompagnon gefunden, das ist ganz klar!" sagte er nochmals und blickte zu Moret. "Was erwarten Sie?"
Henri Moret fühlte sich unbehaglich in seiner Haut. Devenaz hatte alles akribisch zusammengetragen und fein säuberlich notiert. Natürlich war ihm und später auch Moret, als er die Berichte las, sofort klar, wie der Deal in etwa abgelaufen war. Neu war nur, daß Weichsler einen bankkundigen Partner hatte. Das erhöhte seine Gefährlichkeit. Moret gab sich einen Ruck, bevor er antwortete: "Ich will das ganze Geld wiederhaben, und Weichsler will ich ebenso haben. Unversehrt", setzte er noch mit einem scheuen Seitenblick auf Wimmers düster wirkenden Partner hinzu.
Was mit Rizzi sei, fragte Wimmer. Doch Moret schüttelte den Kopf. "Ich will Weichsler und das Geld. Der Rizzi ist mir egal — vermutlich hat ihn Weichsler so geschickt benutzt, daß er die wahren Zusammenhänge gar nicht kennt". Wimmer sah ihn zweifelnd an und wandte ein, daß Weichsler niemals ein so kompliziertes Karussell zustandebringen würde, aber Moret konnte nicht mehr zurück, er hatte sich schon vorher mit Devenaz entschieden und beharrte auf seiner Meinung, obwohl ihm die Einwände Wimmers völlig richtig schienen.
Wimmer trank sein Glas in einem Zug leer. Bevor er das Glas auf die Tischplatte aufsetzte, glitt sein Blick für einen Moment zu dem Mann mit dem Schlapphut. Dann sagte er schlicht: "In Ordnung, Herr Moret, wie Sie wünschen!" Beide erhoben sich und verabschiedeten sich mit einem kurzen Kopfnicken. Moret rief Devenaz an, um ihm zu sagen, daß die beiden Bluthunde unterwegs seien.