Wanzen

Wanzen

Er war bereits zu Mittag in die Seilerstätte zu Fromm & Ehrlich gegangen, um seinen neuen Festtagsumhang abzuholen. Er war froh, dass er die Springschuhe, Marke Siebenmeilenstiefel, angezogen hatte. So war der lange Weg recht gut zu bewältigen, die Springschuhe waren ja eine Weiterentwicklung der Anfang des Jahrhunderts entwickelten Springstelzen, die sich als solche nicht durchsetzen konnten. Erst als man vom Akrobatischen wegging und die Stelzen für eine schnelle und kräfteschonende Gangart umbaute, kam der Durchbruch. Seine Stelzen erhöhten seine Stehposition um ca 20 cm, die in die Stelzen eingebauten Batterien wurden durch die kinetische Energie des Gehens aufgeladen und je mehr er ging, umso mehr unterstützten ihn die kleinen eingebauten Motoren, so dass er mit jedem Schritt unterstützt wurde und leichter gehen konnte. Dadurch wurde er auch etwas größer und übersah die vor ihm liegenden Menschenmenge besser. Natürlich fiel ein hagerer, über 2 Meter großer Mann fast überall auf, aber das nahm er in Kauf.

Wie immer im Sommer waren die Straßen voll, Menschenmassen wogten hin und her und zudem war die Stadt voller Touristen. Diese erkannte man zumeist an den Tablets, die sie an der Grenze oder am Flughafen ausleihen konnten, da sie sonst keinen Zugang zum Com–System hatten. Ihre im Ausland registrierten Smartphones funktionierten innerhalb des Königreiches nicht. Er beobachtete konzentriert den Weg und wich den langsamer gehenden Menschen vorsichtig aus. Er war schon beinahe in der Freyung, als ihn Baron von Stetten anpiepste und fragte, ob sie gemeinsam einen Drink auf der Freyung nehmen wollten. Er sagte gerne zu und eilte weiter.

Dort angekommen suchte er in den Menschenmassen und fand recht bald den Baron. Sie begrüßten sich und stellten dann fest, das rund um den Platz keine Sitzgelegenheit frei war. Kurz entschlossen fragte er den Baron, ob er ihn in seine Wohnung einladen dürfte, er hätte Wein und Bier zur Auswahl. Dieser sagte freudig zu, denn er war noch nie in der Wohnung des Meisters und natürlich war er auch neugierig. Sie gingen hoch, und der eher kleingewachsene Baron mokierte sich über den Meister, der ihn um 2 Kopflängen überragte. Vor der Wohnungstür angelangt schnallte der Meister seine Siebenmeilenstiefel ab und befahl Lucy, die Tür aufzusperren.

Im Wohnzimmer machten sie es sich gemütlich, der Meister servierte gekühlten Weißwein mit Mineralwasser und bot dem Baron eine Zigarre an. Sie rauchten gemütlich, tranken weißen Spritzer und unterhielten sich über den Stand der Dinge. Der Baron, der sich stündlich über den neuesten Stand informierte, berichtete, daß inzwischen über 45 Personen aus dem Umfeld des Moscheedieners festgesetzt und verhört wurden. Der rege diplomatische Austausch zwischen dem Königreich und der Republik Türkei führte auch in der Türkei zu einigen Festnahmen, doch meinte der Baron, keiner wisse, wer die dort Verdächtigten seien und welchen Einfluss sie auf das Attentat tatsächlich hatten. Er ergänzte, dass er den Verdacht hegte, dass einige auch als Bauernopfer dienten, um die guten Absichten der Republik Türkei plakativ zu zeigen.

Candor nickte, denn er hatte Ähnliches bereits von Kunze gehört. Er atmete tief durch und sagte zum Baron, dass er seinen neuen Festtagsumhang abgeholt habe, da übermorgen, am Donnerstag, die Beisetzung Karls und Ludwigs stattfinden würde und am Samstag und Sonntag die Krönung des neuen Königs stattfinde. Der Baron sagte, er habe sich auch schöne neue Gewänder schneidern lassen, denn die Ereignisse erforderten, dass sich alle von ihrer besten Seite zeigten. Candor sagte, er sei nur sehr ungern in der Mittagshitze durch die Stadt gegangen – deshalb hatte er sich ja die Siebenmeilenstiefel angezogen – denn, so bekannte er, er liebte diese massenhaften Menschenansammlungen überhaupt nicht. Und bevor er sich gewahr wurde, dass er das Thema abrupt wechselte, sagte er, dass ihm die Gesellschaft übersexualisiert erschien. Er schloss die Augen und sagte, im Vergleich zu seiner Jugendzeit habe sich die Gesellschaft mit der Allgegenwärtigkeit von Sex in der Werbung, Sex in der Öffentlichkeit und der Akzeptanz von kleinen und großen Tabubrüchen sehr stark verändert.

Während er noch über dieses Thema weiter nachdachte, plauderte der Baron drauflos, wie gut es ihm jetzt ginge. Seine Magd Dina sei ihm treu ergeben, lese ihm jeden Wunsch von den Augen ab und sei ein Naturtalent im Bett. Er habe nach dem Tod seiner Frau mönchisch enthaltsam gelebt und habe sexuelle Gedanken gänzlich verdrängt, seine Trauer und seine Arbeit haben ihn so sehr beschäftigt, dass er gar nicht mehr an Sex dachte. Nun aber habe sich alles geändert. Dina erwartete ihn jeden Abend in einem sauber aufgeräumten Haushalt, und wenn sie dann vor dem Fernseher auf der Couch kuschelten, war sie anschmiegsam und schnurrte wie eine Katze. Und dann

Candors Com zirpte, es war Oberstleutnant Kunze. Candor hob kurz die Hand, um den Baron zum Schweigen zu bringen und hörte zu.

Der Oberstleutnant sagte: "Sorry, ich störe ungern die höchst amüsante Unterhaltung, aber ich möchte, dass Sie mich kurz hereinlassen. Ich bin bereits oben bei Ihnen vor der Wohnungstüre."

Candor war irritiert und zugleich erstaunt. Woher wusste Kunze, worüber er sich mit dem Baron unterhielt? Entschlossen stand er auf und ging zur Wohnungstüre. "Lucy , öffnen!"

Als sich die Tür öffnete, wurde Candors Erstaunen noch größer. Oberstleutnant Kunze kam mit zwei Begleitern, die in weiße Plastikoveralls gekleidet waren und die beide zwei offenbar sehr schwere Koffer trugen. Alle drei traten ein.

Candor blieb stehen, während Lucy die Tür leise schloss. Er blickte fragend zu Kunze, der sich kurz umsah. Dann drehte er sich wieder zum Meister und stellte seine Begleiter vor: "Das sind Kammer und Lang, sie sind aus meinem Technikerteam und sollen die in dieser Wohnung versteckten Wanzen finden." Er stellte mit Befriedigung fest, dass sowohl der Meister als auch der Baron diese Nachricht mit einem kurzen Schock aufnahmen.

"Ja, wir mussten feststellen, dass Ihre Wohnung mit einer offenbar sehr ausgefeilten Technik verwanzt wurde." Nach einer kurzen dramaturgischen Pause erklärte er dem Meister, dass seine Techniker schon seit Tagen versuchten, die Abhörsignale aufzufangen und auszuwerten, aber mehr als sich einzuklinken und zuzuhören gelang ihnen nicht.

Der Meister war völlig geschockt. Er überschlug kurz, was alles in der Wohnung gesprochen worden war, und es war ihm sichtlich unangenehm. Denn er war Roxane gegenüber völlig offen und ehrlich und hatte sich weder mit seiner Meinung noch mit Informationen aus der Burg, dem Kronprinzen oder den polizeilichen Untersuchungen zurückgehalten. Das konnte natürlich noch sehr peinlich werden. Er wandte sich zum Oberstleutnant und sagte: "Bitte, ihre Männer können anfangen und alles vorbehaltlos durchsuchen, ich werde Ihnen auch gerne die Safes öffnen."

Beide Männer lehnten ab, als er ihnen ein Erfrischungsgetränk anbot und begannen sofort, ihre Koffer auszupacken.

Oberstleutnant Kunze setzte sich neben den Baron und nahm das Angebot, einen weißen Spritzer zu trinken, gerne an. Seine Techniker wären bei der routinemäßigen Überprüfung aller – er blickte zum Baron und wiederholte: aller – auf die seltsamen Signale in der Wohnung des Meisters aufmerksam geworden. Da es dafür keine andere vernünftige Erklärung zu geben schien, habe er diese Durchsuchung angeordnet. Er legte ein Papier auf den Wohnzimmertisch und sagte zum Meister: "Ich war mir Ihres Einverständnisses sicher."

Candor nickte und sagte: "Klar doch, mein Lieber! Ich will doch selbst wissen, wer mich abzuhören wagt und was man damit bezweckte." Nachdenklich sagte er zum Oberstleutnant: "Der Gedanke, dass mich jemand ausspioniert, ist sehr beunruhigend. Ich will nicht verhehlen, dass nicht alles, was hier in meinen vier Wänden gesprochen wird, publik werden soll. Damit meine ich nicht nur die wirklich privaten Dinge, sondern auch alles, was meine Arbeit anlangt. Ich habe vor Roxane keine Geheimnisse, wir besprechen beinahe alles miteinander."

Der Oberstleutnant beruhigte ihn und sagte, dass er sofort die bereits vorhandenen Aufnahmen löschen habe lassen und Kammer befohlen hatte, keine weiteren zu machen. Trotzdem sei er sehr beunruhigt, denn auch bei Meister Gregor sei ein weiteres Technikerteam dabei, die seltsamen Wanzen aufzuspüren. Und er selbst habe überhaupt keine Idee, wer ein Interesse daran haben konnte, diese zwei Meister abzuhören. Dann sagte er, zum Baron gewandt, dass er sich keine Sorgen machen solle, seine Wohnung sei wanzenfrei. Da sich diese Wohnung in der Burg befand, brauchte er keinen Gerichtsbeschluss, um sie zu durchsuchen. Dann grinste er unverschämt und sagte, man hätte so lange mit der Durchsuchung gewartet, bis Dina außer Haus gegangen sei. Erleichtert atmete der Baron auf.

Die beiden Techniker, Kammer und Lang, hatten auf dem Wohnzimmertisch ein Gerät aufgestellt und gesagt, dies sei ein Jammer, der alle Funk– und Mikrowellensignale abschirmte. Als der Meister sich zu Lang wandte und fragte, wie sie weiter vorgehen würden, mischte sich Kammer ein und sagte: "Der Lang kann Sie nicht verstehen, er ist taubstumm. Ja, und wir werden jetzt Raum für Raum durchgehen und alles abscannen, irgendwo müssen die Wanzen ja sein!" Dann nahm er einige Geräte und verschwand damit im hintersten Raum, im Gästezimmer.

Der Baron stand auf und meinte, er könne hier sowieso nichts tun und verabschiedete sich. Nachdem er gegangen war, unterhielten sich der Meister und der Oberstleutnant darüber, wer an diesem Abhören interessiert sein könnte. Die meisten politischen Parteien schied der Meister aus, da er kaum Berührungspunkte mit diesen hatte und sich in die Tagespolitik nur sehr selten einschaltete. Da denke er eher an die großen und reichen Familien, denn damit hatte er sich zuletzt mit König Karl und auch nach dessen Tod beschäftigt. Diese Familien drängten mit aller Macht darauf, dass man wieder die alten, verzopften Standeshierarchien einführte, sie wollten Grafen, Herzöge und sonstige wohlklingende Titel. Und natürlich wollten sie auch finanziell davon profitieren, aber darüber sprachen feine Leute nie. Doch sowohl der König als auch Meister Candor und der Rat der Meister wollten dabei bleiben, dass es nur Barone gäbe. Es genügte, wenn man eine Baronie mit einer sehr großen Summe kaufen könne, wenn es vom König akzeptiert wurde. Außerdem behielt der König sich das Recht vor, Barone nach seinem Gutdünken zu ernennen oder ihnen die Baronie wegzunehmen.

Kunze hörte sich alles geduldig an, wandte dann aber ein, dass er nicht glaube, dass sich die Patrizier so vorgingen und so unverschämt verhalten würden. So grübelten sie hin und her, während die beiden Techniker von Zeit zu Zeit kleine, glitzernde Gegenstände auf den Wohnzimmertisch legten. Die meisten waren kaum größer als ein Streichholzkopf. Sie fotografierten jedes und schickten die Bilder ins kriminaltechnische Labor.

Oberstleutnant Kunze sah auf die Zeitanzeige und verabschiedete sich, er würde bald wiederkommen, müsse aber jetzt etwas dringend erledigen. Nachdem er gegangen war, saß der Meister im Wohnzimmer, rauchte seine Zigarre und dachte angestrengt nach.

Und während er ruhig im Wohnzimmer saß, rauchte und manchmal am Weinglas nippte, beschlich ihn das Gefühl, als ob jemand in seinen Gedanken kramte. "Das kann aber nicht sein," sagte seine Vernunft, und eine Stimme antwortete ihm: "Doch!"

Er schreckte wie vom Donner gerührt auf, doch die Stimme in seinem Kopf sagte: "Haben Sie keine Angst, ich bin es, der Techniker, Josef Lang." Er blieb starr sitzen und blickte sich um, doch die beiden Techniker waren nicht zu sehen, sie arbeiteten in den hinteren Zimmern. Nach einigen Sekunden sprach er in Gedanken: "Wie kann das sein?"

Kurz daraufhin erhielt er die Antwort: "Ich bin zwar taubstumm, doch ich kann mit manchen Menschen gedanklich kommunizieren."

Blitzschnell liefen in seinem Kopf Gedanken über das Institut ab. "Ich kann Sie so nicht verstehen, Sie müssen so denken, als ob Sie sprechen würden. Es ist eine ganz gewöhnliche Unterhaltung auf gedanklicher Ebene, Gedankenlesen kann ich nicht."

"Ich verstehe," sagte der Meister in Gedanken, "ich wusste darüber bisher nicht Bescheid. Ist dies ein besonderes Talent der Taubstummen?"

"Das kann ich nicht genau beantworten" lautete die Antwort von Lang, "ich kenne ein paar Taubstumme, aber die können nicht in Gedanken sprechen. Ich hatte bisher angenommen, dass dies deswegen ist, weil diese Taubstumme relativ ungebildet sind und sich auch nicht mit ihren möglicherweise vorhandenen Fähigkeiten beschäftigen." Es folgte eine längere Pause.

"Ich bin erst im Alter von 9 Jahren taubstumm geworden, bis dahin habe ich mich als Kind ganz normal entwickelt. Ich konnte lesen und schreiben und war sehr neugierig auf alles, was mir das Leben bot. Meine Eltern haben Gott sei Dank darauf bestanden, mich privat unterrichten zu lassen, sodass ich bis zum Abitur all das lernen konnte, was man eben bis zu diesem Alter lernen sollte. Erst danach wurde es klar, dass ich kein Universitätsstudium absolvieren könne, also entschied ich mich für eine Lehre als Elektrotechniker und Elektroniker, die ich als Meister abschloß. Ich habe mich, glaube ich, ganz gut geschlagen und bekam eine sehr interessante Stelle bei der Polizei, wo ich nun seit über 15 Jahren arbeite. Das unterscheidet mich wahrscheinlich von anderen Taubstummen, die in ihrer Kindheit für dumm gehalten wurden und keinerlei gute Ausbildung erhielten."

Der Meister hörte Lang zu und konnte bald den Unterschied zwischen diesem Gedanken–Sprechen und dem Gedanken–Lesen ausmachen. Dieses Gedankensprechen war eine bewußte und dem normalen Sprechen entsprechende Handlung. Das Gedankenlesen war ein Vorgang, der sich hauptsächlich in Bildern oder Bildsequenzen abspielte. Dieser Unterschied erschien ihm wichtig zu sein.

Er sagte in Gedanken: "Wie viele Menschen können das?"

"Nicht sehr viele," antwortete Lang, "ich habe erst fünf oder sechs Menschen getroffen, mit denen ich mich gedanklich unterhalten konnte."

"Landesweit dürften es also dann einige Hundert sein," sagte der Meister. Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis die beiden Techniker ihre Arbeit beendeten. Kammer bat Candor, Lucy untersuchen zu dürfen und Lucy erhielt die zeitlich begrenzte Anweisung, mit Kammer zu kooperieren. Kammer fand nichts, Lucy hatte weder einen Einbruch noch Manipulationen irgendwelcher Art aufgezeichnet. Lang sprach Candor stumm an, ob Lucy überprüfen könne, ob es in den Aufzeichnungen eine Lücke gebe. Candor fragte Lucy und sagte, sie solle mindestens ein halbes Jahr zurückgehen. Nach einigen Sekunden meinte Lucy völlig emotionslos, daß es am 6. April eine Lücke gab, 3 Stunden und 22 Minuten ab 10 Uhr 42. Das war die einzige Lücke während der vergangenen drei Jahre, ergänzte sie.

Kammer und Candor gingen durch den persönlichen Kalender des Meisters, was an diesem Tag abgelaufen war, es lag ja erst vier Wochen zurück. Aber sowohl der Meister als auch Roxane und Marco waren außer Haus. Kammer befragte Lucy, was die letzte Eintragung vor der Lücke war. Es war eine Lebensmittellieferung von ihrem bekannten Lieferanten. Candor erklärte kurz, wie es für gewöhnlich ablief, Lucy sammelte ihre speziellen Bestellungen und die aufzufüllenden Bestände, bestellte dann beim Lieferanten und die beiden Systeme vereinbarten einen Code, mit dem der Lieferboy die kleine Wartungstür öffnen und die Waren hineinschieben konnte. Kammer wollte diese Türe sofort sehen, sie gingen ins Stiegenhaus und Lucy öffnete das Türchen. Lucy wurde nochmals befragt, was denn bestellt worden war, doch sie sagte, nichts. Sie hatte vor der Lieferung nichts bestellt, obwohl das System des Warenhauses einen Liefercode kurz zuvor abgerufen hatte.

Kammer rekapitulierte. Die Täter hatten über den Lieferanten einen Code abgerufen, das Türchen geöffnet und waren eingestiegen, hatten Lucy abgeschaltet und in den gut drei Stunden die 9 Wanzen installiert, raus und Lucy wieder eingeschaltet. Zumindest ein Täter mußte ein Kind oder eine zierliche Person gewesen sein, konnte die Türe geöffnet und jemanden eingelassen haben. Es war aber auch möglich, daß es nur eine Person war, die Zeit reichte völlig aus, um die Wanzen zu installieren.

Candor spürte, daß diese Theorie ziemlich stimmig klang. Er fragte nochmals nach, wie die Qualität der Wanzen einzustufen sei und Kammer versicherte ihm, daß es sicherlich von einem westlichen Geheimlabor käme. Diese Dinger bekäme man auch nicht auf dem Schwarzmarkt, sicher nicht. England, Frankreich oder USA, nur diese drei hatten solche Labore. Sicher nicht die Russen noch die Chinesen oder Deutschen und auch sonst niemand. Man werde die Wanzen aber natürlich noch ganz genau untersuchen. Candor sagte, er werde seine Aktivitäten nochmals genau prüfen, ob er einen Zusammenhang finden könne, aber so auf Anhieb fiel ihm nichts ein. Kammer erhielt eine Nachricht, daß beim Meister Gregor keine Wanzen gefunden wurden, Fehlalarm. Somit war Meister Candor der einzige Betroffene, sagte Kammer und blickte den Meister ernst an. Er sei der Einzige, sagte Kammer, und die Wanzen wiesen auf einen westlichen Geheimdienst. Das ist kein Pappenstiel, dem müssen wir leider vom Gesetz her nachgehen.

Die Techniker gingen und ließen einen ziemlich nachdenklichen und verunsicherten Meister zurück.

Tag für Tag diskutierte er mit Kunze und dem Baron, wälzte alle möglichen Theorien, aber es kam nichts heraus. Natürlich pflegte er Kontakt mit allen drei Staaten und war mit allen auf gutem Fuß. Wenn jemand etwas Heikles wissen wollte, fragte der Meister im Außenministerium nach und konnte meistens Auskunft geben. Das war im Grunde ein ganz normales Vorgehen. Nichts, was in seiner Wohnung gesprochen wurde, erschien abhörenswert. Roxane hatte sich schon lange aus dem rumänischen Verein zurückgezogen, daher konnte sie nicht das Ziel sein. Nach einer Woche war das Thema in der Schublade für Unerklärliches, Verdammt Unerklärliches und UFO–Sichtungen verschwunden. Nach einem Monat dachte auch Meister Candor nicht mehr daran.

Das Begräbnis für König Karl und Prinz Ludwig war sehr ernst und würdig, ebenso anderntags die Krönung von König Erich. Meister Candor entschuldigte sich vom Festbankett mit Hinweis auf seinen empfindlichen Magen, er feierte lieber mit Roxane im Ehebett. Der neue König ließ in den Straßen rund um die Burg Bier und Wein sowie Wiener Brathendl und andere Köstlichkeiten servieren, Künstler aus dem ganzen Königreich traten auf und das Volk lachte, tanzte und vergnügte sich wie schon lange nicht mehr.

Es lebe König Erich!