Neue Welt

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Nach meinem Erwachen blieb ich insgesamt 7 Monate im Institut. Eine der Krankenschwestern, Schwester Gerda, war an mir als Person interessiert und kein Spion des Chefs. Ich konnte mit ihr nach dem Sex gute Gespräche führen und wieder ins Leben zurückfinden. Ich war für sie ein vorübergehender Gast, bei dem sie ihre einzige unschöne Beziehung beim leidenschaftlichen Liebemachen vergessen konnte. Gerda, die ihre Jungfräulichkeit diesem Mann geschenkt hatte und von ihm benutzt und weggeworfen wurde, hatte nur wenig sexuelle Erfahrung. Es dauerte nicht lange, bis sie mein Flirten annahm, da wir fast den ganzen Tag zusammen waren. Ich war nach dem Examen durch Schwester Brigitte überzeugt davon, daß sich meine Sexualität total verändert hatte. Ich konnte wieder wie ein junger Mann, erinnerte mich aber, daß ich vor dem Autounfall schon sehr lahmte. Gerda jedenfalls war sehr zufrieden mit dem Sex, sie war einigermaßen technikaffin und zeigte mir, wie man das Com bedient und wie man damit im Comnet recherchieren konnte. Es dauerte nicht lange, bis ich es gelernt hatte. So konnte ich nachlesen, was sich während meiner Abwesenheit ereignet hatte.

König Franz hatte nach dem tödlichen Hitzesommer 2030, als nicht mehr nur Hunderte, sondern Tausende durch die Hitze starben, beschlossen, Wien neu zu begrünen. Er war nicht der erste, der auf diesen Gedanken kam, denn es gab genügend Studien, die bewiesen, dass eine Stadt, wenn sie wieder grün wurde, der Hitze besser standhielt. Er ließ hunderte und tausende Bäume pflanzen, doch erst König Karl war es, der die Begrünung wirklich vorantrieb. Er ließ alle großen Plätze der Stadt aufreißen und mit Rasen bepflanzen, mehrere hunderttausend Bäume und Büsche wurden auf ihnen gepflanzt.

Er erließ ein Dekret, wonach auf allen Flachdächern der Stadt Rasen, Büsche oder auch Bäume gepflanzt werden mussten. König Karl verpflichtete alle Gefängnisinsassen, die keines Kapitalverbrechens schuldig waren, zur Gartenarbeit wie auch alle Zuwanderer, die nicht mit einem bestehenden Arbeitsvertrag gekommen waren. Im Lauf der Zeit waren so 120.000 Menschen täglich damit beschäftigt, die Grünflächen und die Pflanzen der Stadt zu pflegen. Der König hatte veranlasst, dass die erstmalige Bepflanzung privater Dächer vom Staat finanziert wurde, für die laufende Pflege aber mussten die Hausherren selbst aufkommen. Diejenigen, die kein Flachdach hatten, mussten wegen der Gleichstellungsgesetze einen Obulus entrichten.

Wien war innerhalb eines Jahres kaum wiederzuerkennen. Aus allen Plätzen waren Parkanlagen geworden, der Verkehr wurde umgeleitet. Dadurch ergaben sich einige Verkehrsprobleme, die der König mit einem weiteren wichtigen Dekret bekämpfte: Autofahren innerhalb der Stadtgrenzen wurde sehr teuer. Ohne Ausnahme mussten alle, die in die Stadt fuhren, eine kräftige Gebühr entrichten. Ohne Ausnahme bedeutete auch, dass der Lieferverkehr von Waren neu organisiert werden musste, statt Lieferwagen mussten nun Lastenfahrräder eingesetzt werden. Diese Maßnahme stieß zunächst auf heftigen Widerstand, doch der König blieb hart und setzte dieses Gesetz unerbittlich um. Die Lieferwagenfahrer wurden nun murrend zu Lastenfahrradfahrern, doch auch dies hatte langfristig sein Gutes, denn so wurden viele neue Jobs geschaffen. Das Murren hörte rasch auf.

Doch bald spürten die Bewohner eine deutliche Verbesserung, die alljährliche Hitzewelle fiel nicht mehr so heftig aus. Es waren viele Arbeitsplätze neu entstanden, viele Hausherren mussten eigens Gärtner einstellen und auch die Stadtverwaltung musste circa 50.000 Gärtner zusätzlich beschäftigen, die meisten von ihnen waren Einwanderer. Diese Verordnungen waren inzwischen annähernd 20 Jahre lang in Kraft, und jedermann konnte sich davon überzeugen, daß Wien eine grüne Stadt geworden war, die auch im Sommer erträgliche Temperaturen hatte. Was die Kostenseite anlangte, war dieses Projekt im Laufe der Jahre zu einem vernachlässigbaren Aufwand für die Stadt geworden. Kein Wunder also, daß bald andere Städte, wie Graz, Linz und Salzburg diesem Beispiel freiwillig folgten.

Nach kurzer Zeit erkannte man, dass die Begrünung viel teures Trinkwasser kostete. So kann man auf die Idee, einen Teil der Wasserwiederaufbereitung umzugestalten und in diesem neuen Verfahren einfacher und billiger Wasser in Nicht–Trinkqualität herzustellen und das so gewonnene Wasser für die städtischen Gärtnereien zur Verfügung zu stellen. Dieser Maßnahme folgte eine weitere, die bei allen Neubauten finanzielle Anreize bot, das Abwasser aus den Wohnungen getrennt in diese neuen Wasseraufbereitungsanlagen abzuführen. Es dauerte zwar mehrere Jahre, doch auch diese Maßnahme machte sich bezahlt.

Die Begrünung der Stadt hatte aber auch dazu geführt, dass der private Autoverkehr um die Hälfte geschrumpft war, denn die Gebühren, die für das Fahren in der Stadt eingehoben wurden, waren sehr hoch, was auch dazu führte, dass noch mehr in die öffentlichen Verkehrsmittel investiert werden konnte. Es gab bald keinen Ort innerhalb der Stadt, den man nicht öffentlich erreichen konnte. Auch diese Maßnahme galt weltweit als vorbildlich und verbesserte die Ökobilanz der Stadt erheblich. Die Begrünung hatte einen Nebeneffekt, mit dem keiner im Voraus gerechnet hatte: rund um die zu Parks gewordenen Plätze schossen Cafeterias, Bars und Snackbuffets aus dem Boden. Die Bevölkerung nutzte diese ausgiebig, so dass der König anordnete, die gewerbliche Zulassungen zu lockern, verordnete aber auch, dass diese Freizeitstätten erst ab 17 Uhr abends öffneten und pünktlich um Mitternacht schließen mußten. Ganz allgemein wurde diese Entwicklung von der Bevölkerung gerne angenommen, und die Plätze wurden bald zum quirligen Erholungsgebiet für alle.

Trotz aller Widerstände hatte König Karl diese Projekte professionell und zur allgemeinen Zufriedenheit durchgeführt, was ihm von vielen Seiten zugute gehalten wurde. Er war in großen Teilen der Bevölkerung ein beliebter König geworden, der sich um das Wohl seiner Bürger mehr kümmerte als um das Wohl einiger Weniger. Es gab natürlich auch viele, die direkt betroffen waren – genauer gesagt, deren Geldbeutel betroffen war. Doch davon ließ sich der König nicht beeinflussen, dann man konnte ihm einiges vorhalten, aber Korruption keinesfalls. Er verlangte von vielen Opfer, aber er konnte in vielen Ansprachen gut begründen, daß dies zum Wohle aller war. Doch die mißgünstigen Nörgler konnten nicht ganz zu Unrecht auf den opulenten Lebensstil des Königs verweisen, was dieser auch nie bestritt. Er war doch der König, oder etwa nicht?!

Seit Beginn seiner Regierung kämpfte auch König Karl mit den Rechten, denn das leidige Problem der sogenannten "Migration" musste auch in irgendeiner Form gelöst werden, da dies von den Rechten zur Mutter aller Probleme hochstilisiert wurde. Er nahm dieses Problem energisch an und ließ gesetzlich festlegen, daß jedermann, der einen gültigen Arbeitsvertrag im Königreich vorweisen konnte, mitsamt seiner Familie ohne Einschränkungen einreisen durfte. Zweitens wurden alle Migranten – man nannte sie nun wieder Einwanderer – in staatlich geführten Lagern aufgenommen, sie mussten jedoch vom ersten Tag an gemeinnützige Arbeit verrichten, zumeist als Gärtner, aber auch in der Altenversorgung und in der Pflege, wo man sie als Hilfsarbeiter sehr gut gebrauchen konnte. Einwanderer, die sich dem widersetzten, wurden ohne viel Aufhebens gleich wieder abgeschoben.

Langfristig verbesserten diese Gesetze das Ansehen des Königreiches, denn wer einwandern wollte, musste wissen, daß er dafür zu Arbeiten hatte. Die schon vor 150 Jahren geltende Asylverordnung wurde wieder zu geltenden Recht, auch wenn es aus Sicht der Rechten ein Rückschritt war, aber das Königreich mußte ein sicherer Hafen für alle Verfolgten sein, das war ihm wichtig. Besonders in den Alters– und Pflegeheimen wurde die Entlastung deutlich spürbar, so dass man die Regierungsarbeit König Karls von Jahr zu Jahr positiver empfand. Konnte man in den Anfangsjahren noch offen über den König lästern, wurde es später geradezu peinlich, wenn ihn jemand als "den Pospischil" – so hieß der König vor seiner Thronbesteigung – verunglimpfte.

Ein weiterer großer Coup gelang, als das Comnet eingeführt wurde. Die unterschiedlichsten Anbieter hatten die Telekommunikation besiedelt, die Kunden waren oftmals zu ihrem Nachteil in einen Dschungel von Verträgen verstrickt und der wuchernde Unfug wurde zum dringlichsten Ärger aller Bürger. Um diesen Unfug zu beenden, gründeten viele neue Start–ups, verursachten jedoch damit noch mehr Wildwuchs in diesem Dschungel. Und die populistische Rechts–Partei setzte voll auf diesen Ärger, punktete weiter mit ihrer Kritik, konnte aber keinerlei Lösungsansätze bieten. Der König, der von all diesen Ärgernissen selbst nicht betroffen war, beriet sich mit seinen Beratern. Die Meister erarbeiteten schlußendlich ein gemeinsames Papier, das vorhersagte, daß die Öffentlichkeit in absehbarer Zeit über dieser Frage implodieren würde und sie schlossen auch Unruhen nicht mehr aus. Dies war für den König nicht akzeptabel, er verdonnerte die Meister, mit Technikern und Experten zusammen ein Szenario für die Lösung auszuarbeiten.

Sie diskutierten wochenlang. Am Ende stand ein Vorschlag: die unterschiedlichen Netze, die unübersehbare Schar von Anbietern in einem einzigen zu vereinen. Und das mußte schlagartig erfolgen, für eine abgestufte Verschlankung waren einfach keine Szenarien gut genug. Das Papier wurde auch technisch sehr detailliert ausgearbeitet: es würde nur noch ein Netz geben, eine staatlich–königliche, und die Nutzung dieses Netzes mußte für alle Bürger gratis und verpflichtend sein. Man hatte auch schon ein gutes Beispiel zur Hand, ein lettisches Unternehmen hatte dies bereits in Lettland mit großem Erfolg eingeführt. Der König hörte sich das Szenario an, dann dachte er eine Nacht lang darüber nach und erließ am Morgen ein Dekret. So entstand das Comnet, das natürlich auch recht bald von einigen angefeindet wurde, da die Privatsphäre aller Bürger – zwar einheitlich, aber dennoch – gravierend eingeschänkt wurde und es dem König ermöglichte, einen Überwachungsstaat zu errichten. Dieser jedoch ging vom einmal eingeschlagenen Weg kein Jota ab und veranlaßte die sofortige Umsetzung.

Ein riesiges neues Computerzentrum beherbergte fortan die gesamte Kommunikation des Reiches. Eine einzige Agentur betrieb die physische Netzstruktur und löste über Nacht die vielen unterschiedlichen Privaten ab. Die Nutzung stand für alle Bürger gratis zur Verfügung, so daß die Verärgerung der privaten Betreiber durch diese Maßnahme in der Öffentlichkeit kein Gewicht mehr hatte. Und zuletzt wurden die bisher von ebenfalls unzähligen Anbietern verkauften Smartphones durch ein geniales neues Gerät abgelöst, das Com.

Der König ließ ein kleines, aber sehr initiatives Hardwareunternehmen samt Lizenzen aufkaufen. Dieses – damals noch Neuwirth's Com – genannte Gerät war in allen Punkten den Smartphones überlegen. Anders als diese wurden sie am Körper – zumeist am Unterarm – getragen, anstelle von Ohrstöpseln wurde das Gesprächssignal direkt durch den menschlichen Körper zum Ohr oder vom Mund direkt übertragen. Das Gerät brauchte nie geladen werden, da es die vorhandenen elektrischen Leitungen direkt für die kabellose Energieübertragung zur automatischen Aufladung der Batterie nutzte, dieses als Moyhavn's Effekt bekannte Prinzip zur Übertragung der Elektrizität auf geringe Distanzen wurde auch bereits für andere elektrische Geräte verwendet. Den Grundstein für diese Technologie legte der berühmte Erfinder Nikola Tesla um das Jahr 1910.

Die Bedienung war einfach und sehr effektiv, es gab kaum Tasten, da zumeist eine Gestensteuerung ausreichte. Für die Notwendigkeit, manchmal ein Display zu verwenden, konnte das Gerät eine kleine Folie seitlich ausfahren, die zu einem vollwertigen Screen wurde. Und das Wichtigste: es war direkt mit dem Com–net zu den staatlichen Servern verbunden und konnte deren Kapazität voll ausschöpfen. Das Com selbst hatte selbst wenig Speicherkapazität, da sie nicht mehr benötigt wurde. Die Entwickler konnten sich voll und ganz auf die Bedienung des Geräts, die Sprach– und Gestensteuerung konzentrieren. Einzig das winzige Display war gewöhnungsbedürftig, genügte aber für die rudimentäre Kommunikation, für das Abspielen von Filmen usw. hatten ja alle große Bildschirme in der Wohnung. Man konnte sowohl Filme oder Spiele abrufen wie auch gründliche Statistiken auf dem Server initiieren und vieles andere mehr. Der Nutzer mußte beispielsweise keine Telefonnummern in seinen eigenen Kontakten speichern, da er mit einfachen Befehlen für ein Telefonat direkt von den Servern verbunden wurde. Man befahl einfach: "Anruf Gerda Müller, Färbergasse" und das reichte meist aus, um mit dem richtigen Teilnehmer verbunden zu werden, natürlich merkten sich die Server die häufig wiederkehrenden Kontakte jedes Coms, sodaß Befehle wie: "Anruf Büro" oder "Anruf daheim" sofort richtig umgesetzt wurden.

Dieses geniale Konzept überzeugte selbst die skeptischesten Smartphone–Verteidiger. Der Widerstand der privaten Netzbetreiber schwand mit dem Wegfall der Kunden, es gab nach wenigen Monaten keine privaten Netzbetreiber mehr. Innerhalb weniger Monate verwendeten alle das Com und das Comnet, denn alle konnten es gratis nutzen, es wurde ja aus den königlichen Kassen finanziert, die zentralisierte Verwaltung des Netzes war von Anfang an sehr stabil. Und als kleinen Bonus konnte man jederzeit jedermanns Aufenthaltsort, jedes Gespräch und jede Nutzung des Coms mitverfolgen, das dem königlichen Überwachungsapparat genausogut diente wie den Polizeibehörden. Die meisten Bürger waren ja gesetzestreu und taten nichts, was der Überwachungsstaat nicht wissen durfte. Die anderen Bürger jedoch peinlich genau zu verfolgen konnte niemand in Zweifel ziehen. Die Bürger waren ohne nennenswerten Widerstand gläsern geworden.

Völlig ohne Zutun des Königreichs veränderte sich die Situation hinsichtlich des Klimawandels, der Anfang des Jahrhunderts eine hohe Dringlichkeit bekommen hatte.

Die westlichen Ölgesellschaften beschlossen den gemeinsamen Umstieg vom Öl zum Wasserstoff, zur Brennstoffzelle. Dies war ein gewaltiger Schritt, doch sie waren überzeugt, der Welt und sich, ja, vor allem sich, einen guten Dienst zu erweisen. Sie gaben der Autoindustrie vor, ab sofort Brennstoffzellenautos zu produzieren. Sie begründeten diesen Schritt damit, daß der versuchte Umstieg von Verbrennungsmotoren zu batteriebetriebenen Elektromotoren gescheitert sei, vor allem deswegen, weil die Rohstoffe für die Batterien weltweit nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden konnten. Rein rechnerisch konnten nicht alle vom Verbrenner zum Elektroantrieb wechseln, man konnte nicht ausreichend Batterien und Ladestationen bauen.

Hingegen konnte die Produktion von Wasserstoff für die Brennstoffzellenantriebe ohne die Probleme der Rohstoffbeschaffung mit wesentlich weniger Aufwand erfolgen. Man war sich bewusst, dass Brennstoffzellenfahrzeuge eine etwas niedrigere Energieausbeute des Wasserstoffs erreichten, jedoch war das für die Produzenten ein Vorteil, denn die Kraftfahrer mussten etwas mehr Wasserstoff als für Verbrennungsmotoren kaufen. Dafür mußten sie sich nicht sehr umstellen, denn ob sie Benzin oder Diesel oder Wasserstoff tankten, bedeutete für sie keine besondere Umstellung. Die Autobauer beendeten das Elektro–Experiment sang– und klanglos, die Umstellung vom Verbrennungsmotor zum Brennstoffzellenauto war im Vergleich ein leichtes, sie mußten nicht mit dem Problem des Stellenabbaus herumschlagen, und die Lieferketten und Tankstellen stellten sich ebenfalls problemlos um.

Man schaffte die Voraussetzungen, in Nordafrika große Wasserstoffwerke errichten zu können. Die Länder Libyen und Algerien wurden von den westlichen Ländern wie Frankreich und England, später auch den USA, zwangsweise befriedet. Die geteilten Länder Ost–Libyen und West–Libyen wurden mit eiserner Faust und stählernem Handschuh zum Frieden gezwungen, die lokalen Kleinherrscher energisch beseitigt, es wurde eine von dem Westmächten erzwungene demokratische Regierung eingesetzt. Algerien, das ebenfalls am Rande einer Revolution stand, erlebte das gleiche Schicksal. Im Gegenzug konnten die Westmächte große Wasserstoffzellenfabriken bauen und alle dazu notwendigen Lizenzen an die großen westlichen Ölfirmen vergeben.

Nordafrika litt nicht unter Wassermangel – es liegt ja direkt am Mittelmeer – und es hat genügend Sonnenenergie zur Verfügung. Die Wissenschaft konnte die für die Produktion notwendigen Grundlagen erarbeiten, die Ölfirmen pumpten all ihr Geld in diese Wasserstofffabriken und die erforderliche Lieferinfrastruktur nach Europa und in die restliche westliche Welt. Wurde zunächst der Wasserstoff noch über Tankwagen und Tankschiffe geliefert, entstand auch eine Pipeline nach Norden, zuerst bis nach Spanien, von dort später auch in alle Großstädte Europas. Nach den ersten zehn Jahren war ein Großteil der Umstellung geschafft.

Die Ära des Verbrennungsmotors ging so zu Ende.

Der Westen, aber auch die USA, waren die Gewinner, die Klimaveränderung konnte in einen gewaltigen Schritt in die richtige Richtung gelenkt werden. Die weltweite Erwärmung würde zwar erst in vielleicht 100 Jahren abgebremst oder vielleicht sogar umgekehrt werden. Aber sosehr sich die westlichen Ölgiganten, die Autofahrer und die gesamte Autoindustrie als Sieger wähnten, es gab auch Verlierer.

Die Vorgänge in Nordafrika waren natürlich nicht demokratisch gerechtfertigt, die eiserne Faust des Westens war nicht friedlich, aber zielgerichtet. Die Unordnung im nahen Osten verschärfte sich gravierend. Die Ölproduktion mußte in großen Schritten verlangsamt werden, man verkaufte viel weniger, als man produzieren konnte. Der Reichtum des Ostens schrumpfte zwangsläufig und mit ihr die mühsam aufrechterhaltene Ordnung. Die Revolten der verarmten Bevölkerung und tausend kleiner Grüppchen zerrissen den Nahen Osten förmlich, Gewinner waren die diversen islamistischen Gruppierungen, die offen Israel und die gesamte westliche Welt bedrohten. Ohne Öl ging der noch Anfang des Jahrhunderts gefeierte Aufschwung beinahe gänzlich verloren, der Osten fiel um Jahrzehnte in seiner Entwicklung zurück.

Selbst für Experten schienen die aktuellen Machtverhältnisse im Nahen Osten kaum noch überschaubar. Die unsicheren Verhältnisse waren auch der Grund dafür, daß praktisch alle Investoren aus dem Westen ausblieben und damit der Untergang des Nahen Ostens, wie wir sie vor 60 oder 80 Jahren kannten, besiegelt wurde. Die Wasserstofffabriken in Nordafrika wurden von den Westmächten eisern verteidigt, ansonsten herrschte von der Türkei bis Marokko, vom Iran bis nach Somalia Willkür und Terror, den zu entschärfen man sich derzeit nicht vorstellen konnte.