727 - Das Bunte Fell






Die letzte Fahrt der
TEIGNMOUTH ELECTRON

Eine Nation im Regattafieber

Francis Chichester hatte 1967 die Welt in seiner "Gipsy Moth IV" mit nur einem Zwischenstopp einhand (=allein) umrundet und wurde nach seiner Heimkehr sogar geadelt - ein wahrer, volkstümlicher Seeheld. Eine kleine Gruppe englischer Segler war der Meinung, man könnte die Welt einhand auch nonstop umsegeln, und wollten Leib und Leben riskieren, um dies zu beweisen. Unter ihnen war auch Donald Crowhurst. Die Medien waren damals erst dabei, den Segelsport zu entdecken, also engagierte sich die Sunday Times und organisierte als Hauptsponsor das "1968-1969 Golden Globe Race". Dem Sieger winkten Ruhm, ein Preisgeld und ein gewisser Reichtum.

Donald Crowhurst startete seinen Rekordversuch am 31. Oktober 1968 (dem letzten möglichen Starttermin). Am 10. Juli 1969 fand man sein Boot im Nordatlantik treibend, Donald Crowhurst war nicht an Bord. Das Boot war kaum beschädigt, die Rettungsinsel an ihrem Platz. Auf dem Tisch das Logbuch, die letzte Eintragung offenbar zehn Tage alt. An Selbstmord zu denken schien unsinnig, war er doch als Führender auf dem Heimweg nach England, sollte den Triumph als schnellstes Boot aller Zeiten einheimsen.

War man bei der Entdeckung der Tragödie mit Vergleichen schnell bei der Hand und verwies auf die mysteriöse "Mary Celeste", die 97 Jahre zuvor unbemannt treibend aufgefunden wurde und unter ebenso mysteriösen Umständen verschwand, so begann man bald die Logbücher Donald Crowhursts zu durchforsten und entdeckte so das ganze Ausmaß der Tragödie.

Wer war dieser Donald C. Crowhurst eigentlich?

Donald C. CrowhurstEr wurde 1932 in Indien als Sohn einer Lehrerin und eines leitenden Eisenbahners, der Alkoholiker war, geboren. Die Familie zog 1947 wieder nach England, wo Donald zum Piloten der Royal Air Force und als Elektronik-Ingenieur ausgebildet wurde. Seine körperliche Tauglichkeit war leider nur mittelmäßig, aber er war intelligent und liebte es, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Er diente kurz in der Air Force, dann bei der Navy, mußte aber bald seinen Abschied wegen "waghalsigen Verhaltens"(???) nehmen. Er war sicher kein Genie, aber fleißig und strebsam, obwohl er bei einem Unfall schwere Kopfverletzungen erlitten hatte und danach immer wieder unter starken Depressionen litt. Bald schon suchte er sich neue Aufgaben, bis er schlußendlich eine eigene Firma, die "Electron Utilization", in Bridgewater/Somerset gründete. Das Hauptprodukt war der "Navicator", ein Radiopeiler, der für die Navigation benötigt wurde. Gleichzeitig kaufte er sich in Bridgewater ein Boot, die 20 Fuß lange POT OF GOLD. Seine Ehe mit Clare war glücklich, sie hatten 4 Kinder.

Ein Geschäftsfreund aus Taunton, Stanley Best, beteiligte sich finanziell an seiner Firma, mußte sich aber bald eingestehen, daß Crowhurst - trotz tadellosen Verhaltens - keine Ahnung von Geschäft und Geld hatte. Crowhurst beschäftigte nach kurzer Zeit sechs Mann in der Produktion und war bald in Fachkreisen als hochbegabter Erfinder bekannt, wenngleich er auch nicht reich wurde. Dann wurde er noch weniger reich und schließlich pendelte seine Firma gefährlich weit unter Normalnull.

Er diskutierte die Frage "einhand nonstop um die Welt" in Seglerkreisen fleißig mit und suchte eine Zeit lang Sponsoren, um Sir Chichesters Rekordschiff "Gipsy Moth IV", das die Welt bereits umsegelt hatte, zu kaufen, was aber nicht zustande kam. - Chichester selbst war von der Idee des Golden Globe Race begeistert und unterstützte die jungen Segler nicht nur mit guten Ratschlägen, sondern auch mit dem ganzen Einfluß eines Seehelden. Crowhurst, der bisher höchstens als Hobbysegler gelten konnte, sah in der Publicity des Rennens eine Chance, seine Erfindungen zu verkaufen und das Unternehmen aus dem Tief zu führen.

Natürlich gab es noch andere Gründe für seine Teilnahme: Crowhurst glaubte selbst wie kein anderer an seine Sendung, seine Berufung zu Höherem, und er suchte nach einem schnellen Erfolg, wie es Chichester beschieden war; der Ruhm, als erster einhand Nonstop rundum zu segeln (Chichester hatte ja einen Stop gemacht) würde ihm sicher einen noch größeren Ruhm bescheren.

Für das bevorstehende Rennen langten im März 1968 die ersten Nennungen ein, die sich heute wie das Who is Who der Seglerprominenz lesen:
Bill Leslie King, ein bekannter U-Boot-Offizier und erfahrener Seemann mit reichen Sponsoren im Hintergrund.
Robin Knox-Johnston, ein 28jähriger Kapitän der britischen Marine; er ist derzeit (2000) Rekordhalter mit der NEW ZEALAND und 72 Tagen für die schnellste Weltumsegelung.
Bernard Moitessier, sagenumwobener Franzose mit enormer seemännischer Erfahrung und Inhaber diverser Rekorde wie beispielsweise der längsten Einhand-Segelreise bis dato.
Chay Blyth, berühmt wegen der Überquerung des Atlantiks in nur 92 Tagen - in einem Ruderboot!
Nigel Tetley, dessen Trimaran VICTRESS vom Amerikaner Arthur Piver, einem altgedienten Piloten des 2. Welkriegs und nunmehrigen Bootsbauer in Sausalito/Kalifornien, gebaut wurde.
Ein weiterer Teilnehmer hatte mit Blyth bereits einige Touren unternommen: John Ridgeway, dekorierter Elitesoldat und professioneller Abenteurer der allerhärtesten Sorte.
Donald Crowhurst schließlich hatte weder ein Boot noch Erfahrung. Auch wenn er selbst meinte, segeln zu können, so besaß er keineswegs die Erfahrung seiner Mitstreiter. Das hinderte ihn jedoch keineswegs, sich zum härtesten Rennen aller Zeiten anzumelden.

Ein Trimaran - ein revolutionäres Boot

Nennung zur Regatta, im März 1968Die Regattaregeln der damaligen Zeit waren noch einfach. Wer am schnellsten rund um die Welt fuhr, siegte. Man konnte starten, wann man wollte, zwischen dem 1. Juni und dem 31. Oktober: jeder sollte das Risiko, das der Südatlantik im Winter barg, selbst beurteilen (und dies ist, meiner Meinung nach, bessere Seemannschaft als die heutigen Massenstarts, die sich nach den Fernsehanstalten richten). Nachdem die Jachten zu unterschiedlichen Zeiten starteten, gab es auch zwei Preise: einen für die Jacht, die die Reise als erste beendete, und eine für die kürzeste gefahrene Zeit. Crowhurst war zuversichtlich, beide Preise zu gewinnen und konnte seinen Geschäftspartner Best als Sponsor des Bootes gewinnen.

Das Rennen wurde im März angekündigt, Crowhurst blieben also höchstens 7 Monate, um ein Boot zu entwerfen, zu bauen und zu testen. Eine schier unmöglich kurze Zeit, aber es war seine Art, sich mit beinahe unlösbaren selbstgestellten Aufgaben herumzuschlagen.

Mitte März hatte Crowhurst noch immer kein Boot - da hörte er von einem neuen Bootstyp: dem Trimaran, ein Boot mit drei Rümpfen. Er nahm an, daß er mit diesem Typ das schnellste Boot zur Verfügung hatte und beauftragte eine örtliche Werft mit dem Bau, L.J. Eastwood in Norfolk.

Stapellauf in Norfolk am 14.10.1968Crowhurst, der Elektronikingenieur war, wollte das Boot mit damals revolutionären Geräten - seinen Erfindungen - ausstatten. Er konstruierte ein System, das die Krängung (seitliche Neigung) des Bootes überwachte und steuerte, zugleich koppelte es den Kompasss mit der Ruderanlage. Gegen die Gefahr des Kenterns brachte er an der Mastspitze (im Topp also) einen aufblasbaren Ballon an, der sich im Fall des Kenterns selbsttätig aufblasen und das Boot aufrichten sollte. Ein weiterer Mechanismus setzte die Bilgepumpen automatisch in Gang (das Ding, das verhindert, daß man nasse Füße kriegt). Sein System hatte viele bisher unbekannte Details und auch einiges, das mir heute für ein Um-die-Welt-Rennen wenig sinnig erscheint wie zum Beispiel Einbruchsalarme. Crowhurst konnte vielleicht nicht gut Segeln, aber er verwendete als erster Bootskonstrukteur einen Computer an Bord, zudem noch einen, den er selbst gebaut hatte.

Der Bootsbauer Eastman klagte nicht nur über Crowhursts unklare Konstruktions- und Arbeitsanweisungen, sondern auch über seine gänzlich fehlende, jedoch vereinbarte Mitarbeit und über die schleppend einlangenden Zahlungen. Laut Vertrag sollte das Boot am 31. August geliefert werden, es wurde aber auf den 23. September verschoben. Crowhurst mußte den Abreisetermin immer weiter hinausschieben, das Boot war immer noch bei weitem nicht seeklar; er nannte erst den 1. Oktober, dann den 31. Oktober.

Schiffstaufe: Clare + Donald CrowhurstZur Schiffstaufe traf man in Great Yarmouth ein, wo Eastwood selbst das Boot zu Wasser brachte. Clare Crowhurst taufte das 41 Fuß lange Schiff mit Champagner auf den Namen "TEIGNMOUTH ELECTRON of Bridgewater". Teignmouth ist eine kleine Hafenstadt in Devon/Südengland, Geburtsort des Mathematikers Charles Babbage, 1792-1871, der u.a. die erste mechanische Rechenmaschine entwarf. Crowhursts Firma war in der Nähe von Teignmouth und einer seiner Sponsoren, der Pressemann Rodney Hallworth lebte ebenfalls dort (und wurde später Bürgermeister in Teignmouth; diesem Herrn werden wir später noch begegnen). Immerhin brachte dieser von Mail and Express entlassene Hallworth die Verbindung zu BBC zustande, die die TV-Rechte kaufte und eine Kamera samt Tonbandgerät für die Fahrt zur Verfügung stellte.

ProbeschlägeMan machte einige Probeschläge im Englischen Kanal, dann fuhr man in drei Tagen durch den Kanal bis Teignmouth. Genauer gesagt, man wollte. Denn die ersten Fahrten zeigten, daß das Boot zwar auf Vorwindkursen an die 12 Knoten schaffte, jedoch kaum weniger als 60 Grad am Wind kreuzen konnte, das Schwert einige Probleme machte und, da es keinerlei Reeling gab, Crowhurst dreimal an diesem Tag über Bord ging. Man wich nach Cowes aus.

Testen...Andere hätten vermutlich den Hut draufgehauen, aber Crowhurst grinste, trank Tee in Cowes, während seine Kleider trockneten, dann fuhr er wieder auf den Kanal hinaus. Die TEIGNMOUTH ELECTRON erwies sich als ziemlich seeuntauglich, außerdem tauchten rasch weitere Probleme auf: die Generatoren vertrugen die Nässe nicht, da die Luken zum Generatorraum nicht dichteten. Crowhurst testete unbeirrt weiter, obwohl die meisten Mitsegler aufgegeben hätten.

Als Crowhurst am 15. Oktober im Hafen von Teignmouth ankam, sprangen 5 Mann an Bord, um sofort mit den Reparaturen und Verbesserungen zu beginnnen. Man mag vielleicht der Meinung sein, daß man sich das alles für eine Weltumsegelung anders vorstellt, aber dieses Detail zeigt, welch formidabler Arbeitsgeist hinter Crowhursts Projekt stand.

Start: 31.10.1968 15:00, TeignmouthAm 31. Oktober 1968 verabschiedete sich Donald Crowhurst von seiner Frau Clare und den 4 Kindern im Hafen von Teignmouth und stach um 15 Uhr in See. Die TEIGNMOUTH ELECTRON war natürlich nicht fertig geworden, einige Mängel konnten in der kurzen Zeit nur notdürftig geflickt werden. Beispielsweise lockerten sich schon in den ersten Stunden einige Verbindungsschrauben, und Crowhurst mußte zu seinem Entsetzen feststellen, daß jemand vergessen hatte, den Behälter mit den Ersatzschrauben einzuladen. Die Übersetzung der Ruderanlage brach. Die Schwimmkörper der Seitenrümpfe füllten sich langsam mit Wasser, da die Dichtungen nicht hielten, und die Bilgepumpen arbeiteten nicht, da der Generator unter Wasser stand. Unten im Boot ein gewaltiger Verhau an Drähten und Kabeln, die für die Computerisierung notwendig waren, aber der Computer selbst war ebensowenig fertig geworden wie die anderen elektronischen Basteleien, wie der selbstaufblasende Schwimmkörper im Masttopp...

die Arbeit am NavigationstischZwei Wochen später - am 15. November, nahe Madeira, wo er per Funk die Nachrichten verfolgte, daß Robin Knox-Johnston auf der arg mitgenommenen SUHAILI vor Neuseeland kämpfte, Nigel Tetley mit dem Trimaran VICTRESS sich dem Kap der Guten Hoffnung näherte und Crowhursts eigene erstaunliche Positionsmeldungen alle aufhorchen ließen - setzte sich Crowhurst hin und stellte eine Liste aller Mängel zusammen.

Keinerlei Elektrik, daher kein Funkkontakt, kein Aufblasen des Rettungsballons im Masttop, kein Funksignal zum Stellen der Schiffsuhr (für die Navigation unerläßlich), nachts kein Licht, keine Schiffslichter. Undichte Luken in allen drei Rümpfen. Cockpitluke undicht, daher auch Generatoren unter Wasser. Risse im Hauptsegel. Die elektrischen Bilgepumpen waren nutzlos, der alternative Handbetrieb nicht möglich, weil der Anschlußschlauch fehlte (!), (aber jemand hatte eine Handlenzpumpe an Bord gebracht, ohne daß sie auf seiner Ausrüstungsliste stand). Lenzen war jedoch nur bei guten Wetter möglich, da sonst das Wasser sofort wieder in die Rümpfe schwappte. Beim Segelsetzen schwangen die Stagen und Wanten (Stahlseile) bedrohlich, drohten aus der Befestigung zu brechen. Die Windsteueranlage war gebrochen. - (Was sich hier, vor Kap Finisterre, noch wie der Totalschaden eines Montagsautos liest, sollte der fleißige Ingenieur Crowhurst Stück für Stück in den nächsten 243 Tagen findig und nur mit Bordmitteln großteils wieder instand setzen ...)

Crowhurst gewichtete die Schwere der Mängel und kam zur Überzeugung, daß er mit diesem Schiff eine Weltumsegelung niemals vollenden würde. Umzudrehen und heimzukehren wäre nicht nur erniedrigend, sondern würde den Bankrott seiner Firma bedeuten, da der Hauptsponsor Stanley Best für diesen Fall vertraglich darauf bestanden hatte, daß die Firma das Schiff von ihm kaufen müsse. Er überlegte, das Gesicht zu wahren und wenigstens bis beispielsweise Australien zu kommen, wo er das Schiff auf Sand setzen konnte, aber selbst das schien ihm technisch undurchführbar.

Jetzt erst, als er sich mit der Aussichtslosigkeit seiner Unternehmung konfrontiert sah, keimte in Crowhurst ein Plan.

Der Plan

Anstatt die Reise fortzusetzen - den Atlantik hinunter bis zum Kap der Guten Hoffnung, an Australien vorbei, das Kap Horn rundend wieder in den Südatlantik und dann hinauf nach England - würde er einfach im Atlantik bleiben, außerhalb der stark befahrenen Schiffahrtswege darauf hoffend, daß er unbemerkt bliebe, und vorgeben, er wäre um die Welt gesegelt. In der Theorie klang das einfach, aber es würde schwierig werden, es in die Praxis umzusetzen. Er würde über Funk falsche Positionen vortäuschen, das Logbuch mit falschen Daten und Positionen verfälschen und ein Chichester-ähnliches Tagebuch führen. Crowhurst dachte wirklich, er könne dies fertigbringen. Natürlich war ihm klar, daß er auf diese Art nicht gewinnen durfte, denn gewinnen würde bedeuten, daß seine Logbücher im Mittelpunkt des Interesses stünden und genauestens unter die Lupe genommen würden; die Widersprüche würden alsbald auffliegen. So konnte er wenigstens hoffen, zu überleben und das Rennen zu beenden.

Am 6. Dezember (erst) begann Crowhurst mit dem Logbuch Nr. 2, dem mit den gefälschten Positionsdaten. Am 10. Dezember schickte er dem jubelnden Robert Hallworth ein Telegramm, das die Sunday Times, der Observer und alle großen Tageszeitungen brachten:
"PRESSE DEVONNEWS EXETER - FREITAG 172 SPINNAKERBAUM GEBROCHEN - SAMSTAG 109 SONNTAG 243 NEUER REKORD FÜR EINHANDSEGLER - MONTAG 174 DIENSTAG 145 NORDÖSTLICHE PASSATWINDE STOP"
243 Seemeilen an einem Tag! Das waren fantastische Neuigkeiten! Endlich machte die TEIGNMOUTH ELECTRON jene Fahrt, von der Crowhurst in den Monaten vor seiner Abreise geträumt hatte!...
Sir Francis Chichester, der in der Regattaleitung saß, wurde in der Sunday Times zitiert, Crowhurst "flöge leicht wie ein Geistervogel (spooky bird) dahin..." -

Crowhurst hatte nordürftig eines der Funkgeräte in Gang gebracht und konnte wenigstens per Morsezeichen Telegramme schicken - siehe oben - die der sensationsgeile Robert Hallworth sofort verwertete:
am 17. Dezember morst Crowhurst:
ERREICHE KALMENGÜRTEL - ÜBERQUERE ÄQUATOR - SEGLE SCHNELL (WEITER) - 6 Worte, drei Lügen.
Am 20. Dezember morst er: AUF HÖHE BRASILIEN - TAGESSCHNITT 170 MEILEN - STARKE SÜDWESTLICHE PASSATWINDE - STOP - BESTE WÜNSCHE WEIHNACHT NEUJAHR TEIGNMOUTH und dem sonst so penibel arbeitenden Crowhurst unterlaufen dabei vor allem in den ersten Wochen einige peinliche Fehler; tatsächlich befand sich Crowhurst zwischen Rio de Janeiro und Funchal auf Madeira, aber theoretisch sollte er sich doch westlich Afrikas befinden - also bitteschön: BRASILIEN? Dann der SÜDWESTliche Passat, der selbstredend und gefälligst ein SÜDÖSTlicher zu sein hat. Ausser, man fährt "falsch herum", und nun beschleicht uns die Angst, daß Crowhurst sogar die Fahrtrichtung verwechselt hat:
am 25. Dezember morst er: RUNDE FLOTT DAS HORN - KURS TRINIDAD MIT SÜDÖSTLICHEM PASSAT UND BRASIL-STROM.
Selbst Hallworth stutzt, hält das Original-Telegramm zurück. Crowhurst meint wohl, er umrunde das KAP (Kap der Guten Hoffnung, natürlich!) Kaphorn-mäßig, oder?! Und dann TRINIDAD, das liegt doch in der Karibik, 550 Seemeilen HINTER ihm, nichtwahr? Oder meint er TRINDADE? Nein, vermutet Hallworth, es muss sich um TRISTAN da Cunha handeln, 1.8oo Seemeilen von Trinidad entfernt. - Crowhurst scheint seine Blödheit erkannt zu haben und knausert nun mit genauen Angaben.

Reparatur der Wind-SelbststeueranlageCrowhurst verbrachte die folgenden Monate im Atlantik, segelte ziellos umher und verfolgte penibel die täglichen weltweiten Wetterberichte über Funk, so daß er genauestens mitschreiben konnte, wie die Bedingungen gewesen wären, wäre er dort und dort gefahren. Da ihm klar war, daß seine Funkberichte aus der falschen Weltgegend kommen würden, täuschte er einen Generatorschaden vor und hielt für 5 Monate absolute Funkstille, verbrachte seine Freizeit mit der Lektüre jener wenigen Bücher, die er mitgenommen hatte. Eines, das über die Relativitätstheorie Einsteins, nahm ihn vollständig in Beschlag, wurde beinahe zur Besessenheit.

die Funk-AusrüstungCrowhurst brach die Funkstille erst wieder am 7. April 1969, als ihn sein gefälschtes Logbuch Kap Horn runden und wieder in den Atlantik eintreten ließ.
"DEVONNEWS EXETER - BIN NAHE DIGGER RAMREZ - LOG KAPUTT 17697 28th" und Hallworth war heilfroh, endlich wieder etwas von seinem Verschollenen zu hören. Digger Ramrez - Crowhurst meint wohl die Insel Diego Ramirez knapp unterhalb des Kaps. Sir Francis Chichester äußert zum ersten Mal kritisch, daß das nicht sein könne; es melden sich auch Funkamateure, die den Spruch aus der Gegend von Buenos Aires, nicht aber aus Wellington empfangen hatten. Chichester hüllt sich ab nun in böses Schweigen, denn alle sind überzeugt, daß er dies nur wegen des Verlusts seines Rekords gesagt hatte. Schweig, Alter, Crowhurst ist ein Nationalheld!

Crowhurst brachte am 11. April in Erfahrung, daß nur mehr zwei Teilnehmer außer ihm noch im Rennen lagen; der eine kämpfte weit hinter ihm, der andere jedoch, Nigel Tetley, lag vor ihm. Bevor Crowhurst den Funkkontakt wieder aufnahm, hatte man allgemein angenommen, Tetley würde das Rennen gewinnen. Nun aber sagten die Beobachter ein knappes Finish voraus. Crowhurst mußte also nur der Fährte Tetleys folgen, ihn gewinnen lassen und nach Hause segeln. Ein bißchen Ehre und Ruhm, vielleicht, aber auf keinen Fall allzuviel Interesse für die Details seiner Logbücher. Sein gescheiter Plan wäre vielleicht auch aufgegangen, wäre nicht etwas Unvorhergesehenes passiert.

Tetley, der die von Crowhurst gefahrenen Zeiten beobachtete und diesen unbedingt schlagen wollte, wurde nervös und segelte immer waghalsiger drauflos. Als er am 21. Mai durch ein Sturmgebiet nördlich von Brasilien fuhr, kenterte seine Jacht und Tetley war raus aus dem Rennen. Crowhurst mußte nur noch einfach nach England segeln und hatte das Rennen für sich entschieden. Er war der erste Mensch, der die Welt nonstop umrundet hatte. Man begann mit den Vorbereitungen zum Empfang des Helden.

Am 24. Juni, als Crowhurst endlich das Funkgerät repariert hatte und davon erfährt, funkt er, trotz allem ein englischer Gentleman, als erstes ein Kondolenztelegramm an den wunderbarerweise geretteten Tetley, teilt lakonisch "23 SEEMEILEN TAGESSCHNITT WÄHREND 6 TAGE" mit und dass er KEINEN DIESEL FÜR GENERATOR und KEIN MEHL, KEINEN REIS mehr habe.
Am selben Tag, den 24. Juni, beginnt er seine 25.ooo Worte umfassende Abhandlung zu schreiben, die er schlicht mit PHILOSOPHIE betitelt.
Am selben Tag, als er in die Sargassosee kam, empfing er Funktelegramme mit den Einzelheiten des Heldenempfangs, der auf ihn wartete - ganze Schiffsladungen von Zuschauern, Hubschrauber mit den TV-Kameras usw. Sein Funkgerät gab nun endgültig seinen Geist auf, so daß er mit niemandem mehr Kontakt bekam.
Er hatte sich in einer Situation verfangen, aus der es kein Entrinnen gab.

Heldentaumel

Allzuleicht kommt einem der Gedanke, es hier mit einem Narren zu tun zu haben. Wer jedoch weiterstöbert, findet in der Times Newspapers Ltd., 1995 (copyrighted, claro), daß es noch ganz andere Narren gegeben haben dürfte:

Jetzt entwickelten sich die Vorbereitungen zu seinem Empfang geradezu zu einem liturgischen Hochamt. In Teignmouth hatte das "Crowhurst Welcome Home Sub-Committee" des Stadtrates seine Vorstandssitzung abgehalten und über den Ablauf entschieden: daß Crowhurst, nachdem er durch den Kanal von einem Minensuchboot der Kgl. Marine eskortiert worden war und der Teignmouth Corinthian Yacht Club seine Zielkanone abgefeuert hatte, er an der Pier entlanggezogen werden solle, damit ihn möglichst viele Zuschauer bewundern konnten, bevor die TEIGNMOUTH ELECTRON in der Flußmündung vertäut würde. BBC- und ITN-Hubschrauber würden ihn überfliegen. Wenn man ihn an Land gebracht hatte, würde ihn Mrs. Irene Arnot, die Vorsitzende des Stadtrates, begrüßen und ein feierliches Gebet vor der Bürgerschaft verlesen - nein, singen durfte sie nicht, was sie schmollend zur Kenntnis nahm. Crowhurst würde darauf eine kurze Antwortrede halten. Anschließend würden er und seine Familie zum Hotel Royal zu einer kurzen Verschnaufpause gefahren werden, bevor er zur Pressekonferenz ins Carlton Theatre ging (Einlaß nur gegen Vorweis der Einladungskarte!). Anderntags würde das "Nennen-wir's-einfach-Teignmouth-Kommittee" einen weiteren Empfang im Hotel London geben, usw. usw.

Ein breites Banner, auf dem "Teignmouth begrüßt Crowhurst" steht, würde entlang der Hafenmauer gespannt werden, und zwar so, daß eine maximale Ablichtungswahrscheinlichkeit durch die Pressefotografen gegeben sei. Der Stadtrat beschloß, ausnahmsweise das Abstellen von Öltanks und Dieselkanistern auf dem städtischen Tennisplatz zu genehmigen, damit sie aus dem Hafen entfernt würden und die Hafenanlagen optisch ansprechender wären.

Rodney Hallworth, der sich während der langen Schweigemonate seines Klienten einigermaßen lächerlich gemacht hatte, war nun der Gewinner, der "Löwe von Teignmouth". Die Kneipe Ship Inn triumphierte, denn sie hatte es ja immer schon gesagt; ebenso das billigere Liefeboat, das immer schon hinter Crowhurst stand - zumindest seit jetzt. Überhaupt hingen alle herum und erzählten jedem, der es wissen wollte, daß sie sich niemals mit kritischem Skeptizismus über Crowhursts Reise geäußert hätten...

Die lokalen Händler schrieben ihm und erinnerten ihn, daß ihre Waren mit an Bord gewesen waren und sicher nobel funktioniert hatten; ob er sich für ein paar Foto-Aufnahmen bereit...?

Ein Bildhauer bot an, eine Trophäe eigens anzufertigen, einen "symbolischen Schiffsrumpf aus Aluminiumlegierung, samt acrylfarbenen, durchsichtig-leuchtenden Segeln". Der Hof regte beim Rat an, Crowhurst möge den Duke of Edinburgh-Preis im Namen von Prinz Philip dem West Country überreichen. Die Kgl. Post beabsichtigte, während dieser Woche eine Crowhurst-Briefmarke herauszugeben und Mr. A. John E. Hole, Historiker bei der Post and Gazette aus Lee-on-Solent, Hants, erklärte sich bereit, an die hundert handsignierte Titelseiten der Devon News zu kaufen, zu zwei Shilling und ein Sixpence das Stück. Herr Hole ließ auch zehntausend Postkarten mit dem Konterfei Crowhursts drucken, auf der Rückseite mit den Worten "Grüße aus Teignmouth in Devon, das Donald Crowhurst für sein Segelrennen um die Welt gewählt hat". Er organisierte und schrieb eine Sondernummer der Post and Gazette, mit fett getiteltem GLÜCKWUNSCH UND WILLKOMMEN ZUHAUSE DONALD CROWHURST, in dessen erstem Absatz Herr Hole beinahe prophetisch hinausschmetterte:

"Bevor Donald Crowhurst Teignmouth verließ, war er kaum mehr als ein Sonntagssegler. Er war unbekannt. Die Nobilitäten des örtlichen Yachtclubs und die gestandenen Yachties, die im dunkelblauen Blazer an der Clubbar herumzuhängen pflegen, waren einhellig der Meinung, daß sein absonderlich geformtes Holzboot, in das anscheinend auch gebrauchte Teekisten verarbeitet wurden, sinken oder bestenfalls noch vor Lands End umkehren würde. (Anm.: die Firma L.J. Eastwood legt Wert auf die Feststellung, daß keine Teekisten - weder neue noch gebrauchte - bei der Konstruktion der TEIGNMOUTH ELECTRON verwendet wurden). Heute steht sein Name auf der Liste unserer Helden. Und hinter dieser kurzen Bemerkung steht eine Story, die genauso lang und packend ist wie die sagenhaften 29.000 Seemeilen, die er zurückgelegt hat, eine Story voller Mut, Selbstdisziplin und dem ungebrochenen Glauben in das eigene Können."

Das Bewegendste in dieser Ausgabe der Post and Gazette war ein Artikel, getitelt "Mein Leben als Ozeanwitwe", in welchem Clare Crowhurst sich zum ersten Mal über die langen acht Monate äußert:
"Jetzt erst finde ich Zeit, um über den Menschen nachzudenken, der nun heimkommt. Acht Monate, jeder Tag eine neue Herausforderung, eine neue Sicht, wenngleich auch täglich der gleiche Fisch, der gleiche Vogel. Denke mehr über triviale Dinge nach wie das Wachsen seines Bartes oder seiner Haare. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, ob auf der langen Liste der Ausrüstungsgegenstände auch eine Schere war, ich stelle mir halt vor, es wäre so ... Ich könnte nicht zusehen, wenn er sich die Haare mit einem Messer schneiden müßte!"
Am 25. Juni ließ sie bei einem Interview mit dem Daily Express ihren Gefühlen freien Lauf: "Die Erwartung, ihn so bald wiederzusehen, drängt alle anderen schlimmen Dinge beiseite. Die in unserem Hause ausgebrochene Freude ist unbeschreiblich. Es klingt wirklich dumm, aber immer lacht irgendwer. Es ist beinahe dieselbe Stimmung, wie wenn ein Kind zur Welt gekommen ist. Es ist derzeit unmöglich, uns das Lächeln aus dem Antlitz zu wischen..."

* * *

Irgendwann in dieser Woche schnitt sich Crowhurst das Haar, die Strähnen wurden über das Deck geweht. Es mag im Nachhinein als seltsamer Zufall erscheinen, aber am gleichen Tag, den 25. Juni, dachte Crowhurst an seine Frau, die ihn in Bridgewater erwartete. Er war gerade dabei, ein mathematisches Problem in seiner philosophischen Abhandlung (mehr darüber weiter unten) niederzuschreiben, da entschloss er sich, einen fiktiven Dialog mit ihr zu erfinden:
"Es mag für den Nicht-Mathematiker hilfreich sein, sich über das Wesen unterschiedlicher mathematischer Konzepte klar zu werden: Ich sitze auf meinem Boot inmitten des Atlantiks, in einer Flaute (bekalmt). Meine Frau in England fragt mich: "Wie geht es Dir?" und ich antworte, "während der letzten drei Stunden lag ich ohne Fahrt auf 30 Grad 25' N, 29 Grad 15' W. Mir geht es gut, und ich bin glücklich!" Meine Frau ist ebenfalls glücklich, denn sie hat mein Befinden Kraft meiner Antwort genauestens erfaßt. Sie nimmt eine Seekarte zur Hand und markiert meine Position mit einer Stecknadel auf dieser Karte, die sie daheim hat. Sie sieht zur Uhr, die anzeigt, daß es jetzt genau 3 Uhr Nachmittags ist, sieht zum Kalender, wo der 25. Juli steht (Crowhurst hat nachweislich öfters Juni und Juli verwechselt) und schreibt in die Seekarte neben die Stecknadel: 1200-1500 am 25. Juli 69. Sie denkt "Ich bin froh, daß es ihm gut geht", aber das schreibt sie nicht auf die Karte. Aber wenn ich sie fragen würde, wie sie die Neuigkeiten aufgenommen hat, dann würde sie sagen: "Ich bin glücklich", und vielleicht würde sie das in ihrem Tagebuch niederschreiben ...."

Aus seinen Logbüchern wissen wir, daß er an diesem 25. Juni etwa 150 Seemeilen nördlich seiner Position vom 23. Juni war; man sieht, wie viel Zeit er aufwendete, um das Funktelefon zu reparieren; während all der Monate hatte er seiner Frau (und damit der Welt) seine - wahren und falschen - Positionen mitgeteilt, oft hörten sie nur, daß "er wohlauf sei und es ihm gut gehe". Nun, da er seine Offenbarung hatte, wollte er sich allen mitteilen, suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, sein Wissen ihr und der ganzen Menschheit mitzuteilen. Er arbeitete verzweifelt an der Neufassung seines letzten offiziellen Telegramms (XYZAB CDEFG HIJKH), das er vor 6 Monaten abgeschickt hatte. Er suchte verzweifelt nach einem Gesprächspartner, dem er alles erzählen konnte und der ihn aus diesem dunklen Tunnel herausführen hätte können; aber es kam nie zustande.

Und wiederum ist es ein unwahrscheinlicher Zufall, daß er, der über 200 Tage "unsichtbar" geblieben war, eben an diesem 25. Juni das letzte Mal lebend gesichtet wurde: um 17 Uhr Ortszeit näherte sich der norwegische Frachter CUYAHOGA, um nach diesem seltsamen Gefährt zu sehen. Als sie vorbefuhren, winkte Crowhurst enthusiastisch, und der Kapitän der CUYAHOGA vermerkt in seinem Logbuch, daß er einen Bart trug, Khaki-Shorts anhatte und in guter Verfassung zu sein schien. Einige Kleider hingen zum Trocknen an Deck, der Kapitän konnte das Rettungsboot ebenfalls genau ausmachen. Das Wetter war gut, die TEIGNMOUTH ELECTRON segelte nach Nordost. Die Position laut CUYAHOGA war 30 Grad 42' N, 39 Grad 55' W (der Widerspruch zu Crowhursts eigenen Aufzeichnungen deutet darauf hin, daß Crowhurst zu dieser Zeit keine genauen Positionsbestimmungen mehr durchführte). Crowhurst selbst vermerkt diese Begegnung auf dem Rand seiner Notizen; er arbeitet an diesem 25. Juni bereits verbissen an seiner 25.000 Worte umfassenden Abhandlung, durchstreift die letzten 2000 Jahre Menschheitsgeschichte und springt sogar kurz zu den Höhlenmenschen zurück; er will aufzeigen, daß es immer wieder Menschen gegeben hat, die die Gesellschaft, ja die ganze Menschheit visionär geschockt und zu einem Entwicklungssprung geführt haben.

Die dunkle Reise

auszugsweise einem Text von Chris Mikul entnommen:

... er hatte sich in einer Situation verfangen, aus der es kein Entrinnen gab.
In dieser Situation war es geradezu ein Glücksfall, daß Crowhurst eine Erleuchtung hatte, die nicht nur sein, sondern das Schicksal der gesamten Menschheit verändern würde. Ein Gedanke, der in ihm in den Monaten zuvor gewachsen war, aber erst jetzt wurde er sich der vollen Tragweite gewahr. Der Keim zu diesen Gedanken stammt aus dem Buch von Einstein, in welchem dieser über die Reise des Lichts theoretisiert, vorausgesetzt, daß man diese oder jene Bedingung verändern würde, oder so ähnlich. Während Einstein dies um des Argumentierens willen tat, nahm Crowhurst alles für bare Münze und war überzeugt, daß Einstein die Natur, die reale Welt nur mit der Kraft seiner Gedanken verändert hatte. Er hatte das erreicht, was Crowhurst für den nächsten Schritt der Evolution hielt - die Befreiung des Geistes von den Grenzen des Körpers. Und wenn Einstein dies konnte, dann konnte es jedermann; es bedurfte nur einer Willensanstrengung. Hier taucht plötzlich ein Gedanke auf, der so überwältigend ist, daß Crowhursts tatsächliche Probleme, mit denen er sich konfrontiert sah, bedeutungslos wurden. Er konnte seine Situation einfach durch seine Gedanken ändern. Indem er ein Gott wurde.

Augenblicklich verbannte Crowhurst alle Nebensächlichkeiten wie Schiffsnavigation aus seinen Gedanken. Die nächsten Tage verbrachte er damit, in seinem dritten Logbuch eine philosophische Abhandlung zu schreiben, die etwa 25.000 Worte umfaßt. Er mußte vor Ehrfucht erschauern, daß diese Offenbarung einem einfachen Segler inmitten eines Rund-um-die-Welt-Rennens zuteil wurde. Aber es mußte sich ja irgendwann jemandem offenbaren, und nun war es seine Aufgabe, sie der Menschheit weiterzugeben. Er würde es ihnen hinterlassen, zusammen mit dem Logbuch seiner tatsächlichen Reise, denn jetzt, wo er Gott war, brauchte er nichts mehr zu verbergen. Mit seinen Worten: "Die Natur erlaubt Gott jede Sünde, außer einer: der Sünde des Verbergens!"

Der zynische Chris Mikul, dessen Essay "The strange story of Donald Crowhurst or how to cheat and become a God" diese Passagen entwendet wurden, schließt sarkastisch:
"Nach dieser wohl wichtigsten Entdeckung für die Menschheit verließ er seinen Körper am 1. Juli, indem er in die See sprang.
Jetzt können auch Sie an der Offenbarung des Donald Crowhurst teilhaben.
Auch Sie können ein Gott sein. Alles, was Sie brauchen, ist ein bißchen Wagemut.
Seien Sie wild, gehen Sie den ganzen Weg zu Ende!
Springen Sie über Bord!"

... und der Rubel rollt

Welch eine andere Welt: an diesem 1. Juli erreicht ihn ein Telegramm seines famosen Presseagenten Rodney Hallworth:
BBC AND EXPRESS MEETING YOU WITH CLARE AND ME OFF SCILLIES
YOUR TRIUMPH BRINGING ONE HUNDRED THOUSAND
FOLK TEIGNMOUTH WHERE FUND NOW REACHING
FIFTEEN HUNDRED PLUS MANY OTHER BENEFITS
PLEASE GIVE ME SECRETS OF TRIP NEAR DEATH AND ALL THAT FOR PRE-PRESS SELLING OPPORTUNITIES
MONEY OUTLOOK GOOD
REPLY URGENT
THINKING ABOUT ADVERTISING
(BBC und EXPRESS treffen dich mit Clare und mir vor den Scilly Inseln.
dein Triumph bringt 100000 Zuschauer nach Teignmouth wo die Sammlung bereits 1500 erreicht hat plus vielen weiteren Gewinnen.
Bitte überlasse mir die Geheimnisse der Reise am Rand des Todes, für Vorabdruck-Verkaufsgespräche.
Finanzielle Aussichten gut.
Antworte schnell.
Denke über Werbemöglichkeiten nach.)

"Mein Gott!" sagte Rodney Hallworth später, als er die Logbücher gelesen hatte, "Vielleicht habe ich Donald Crowhurst mit diesem Telegramm umgebracht!"

* * *

die letzte Eintragung




Minutengenau, jedoch immer konfuser werdend, notiert Crowhurst seine letzten Gedanken:
"1. Juli 1969, 11 Uhr 20 und 40 Sek. Es ist zu Ende. Es ist zu Ende. Es ist die Gnade... "


Ein verlassenes Schiff

das Beiboot der PICARDY nähert sich der TEIGNMOUTH ELECTRONAm 10. Juli 1969 sichtet das Kgl. Postschiff PICARDY, auf dem Weg von London in die Karibik, den Trimaran TEIGNMOUTH ELECTRON um 07.59 Uhr mit langsamer Fahrt 1800 Seemeilen vor England im Atlantik, 700 Seemeilen westlich der Azoren auf 33 Grad 11' N, 40 Grad 28' W. Kapitän Richard Box, dem der Kurs der Sportjacht seltsam erschien, änderte seinen und näherte sich. Als auf das Nebelhornsignal keine Antwort kam, ließ er ein Beiboot zu Wasser. Der Erste Offizier John Clark berichtete, daß sich an Bord ungewaschenes Geschirr in der Abwasch befand, die Rettungsinsel war an ihrem Platz, und auf dem Tisch lagen 3 zerlegte Funkempfänger. Nur die Schiffsuhr fehlte - und Crowhurst, der Skipper. Die Logbücher steckten im Fach der Navigationsecke, die letzte Eintragung war vom 1. Juli 1969.

die TEIGNMOUTH ELECTRON wird auf Cayman Brac von Deck der PICARDY gehievtMit einem Kran hievte man die Jacht an Bord der PICARDY und überführte sie dorthin, wo sie heute noch liegt - auf die kleine Insel Cayman Brac in den Antillen. Die Logbücher verzeichneten eine außerordentlich erfolgreiche Reise. Die Jacht vor ihm - Tetleys VICTRESS - war am 21. Mai gekentert und gesunken, so daß sich Crowhurst sicher sein konnte, die 5000 Pfund für die schnellste Weltumsegelung einheimsen zu können. Robin Knox-Johnston hatte bereits den Preis für den ersten Ankommenden erhalten.

Rodney Hallworth flog hinaus, um die Logbücher einzusammeln, die er bereits für 4000 Pfund an die Sunday Times verkauft hatte. Kapitän Box nahm ihn beiseite und teilte ihm mit, daß mit den Logbüchern ernstlich etwas nicht in Ordnung sei. Box schlug vor, die entsprechenden Seiten herauszureißen, damit Crowhursts Familie die Wahrheit niemals erfahren würde, aber Hallworth witterte, daß die Entdeckung so wichtig sei, daß die Geschichte ans Tageslicht kommen müsse. Die BBC bereitete bereits einen Beitrag "Crowhursts heldenhafte Reise" vor. Nur der Generaldirektor kannte den Grund, warum er das Programm stoppen ließ. Der Betrug war, daß es zwei Sets von Logbüchern gab - Crowhurst hatte niemals Kap Horn oder das Kap der Guten Hoffnung umrundet. Er verbrachte volle achteinhalb Monate im Atlantik und schickte gefälschte Positionsmeldungen über Funk. Die Welt und Fleet Street waren einer Täuschung erlegen.

Robin Knox-Johnston bestand darauf, sein Preisgeld von 5000 Pfund an den Hilfsfonds für die Familie Crowhurst zu spenden. Tetley, der sein Boot zuschande gefahren hatte, um nur ja vorne zu bleiben, erhielt 1000 Pfund als Trostpreis.

Vermutlich war es diese Kenterung, die den Mann, der für 9 Monate Einsamkeit völlig ungeeignet war, aus der Fassung brachte. Er wurde gewahr, daß er den Preis bekommen würde, aber die hochnotpeinliche Untersuchung seiner Logbücher würde ihn des Betrugs überführen. Denn andrerseits, hätte Tetley gewonnen und Crowhurst hätte die Ziellinie als Zweiter überquert, ebenfalls als Held, dann wäre keine Prüfung seiner Logbücher erfolgt. Bei dieser Betrachtung wird einem klar, daß sich sein Geist spätestens am 24. Juni (als er von Tetleys Kenterung erfuhr) eintrübte.

Craig Rich, Berater in Navigationsfragen für die Sunday Times, meinte, " ... daß da sehr wenig Geheimnisvolles an dieser Story sei. Crowhurst hatte einfach seine Logbücher gefälscht, um es so erscheinen zu lassen, als hätte er das ganze Rennen bestritten und geplant, als Zweiter anzukommen. Entweder fiel er über Bord oder er sprang selbst; was immer man darüber auch denken mag, er hatte damit, daß er einhand tatsächlich 16.ooo Seemeilen gesegelt hatte - was an und für sich ein bemerkenswerter Erfolg ist -, großen Mut bewiesen."

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